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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Zweige sind! Da steht das Gras meistens kniehoch und ist so richtig weich und kuschelig. Da kannste dich ‘reinlegen und brauchst überhaupt keine Decke.“
    „Weiß ich“, rief Joachim, „im Wald kenne ich mich bestens aus. Wir hatten damals in Syke einen jungen Förster, der hat uns alles genau erklärt. Der hatte aber Ahnung, du, da konnste was lernen! Die Tannenbäume zum Beispiel sind überhaupt keine Tannenbäume, sondern Fichten. Man sagt nur Tannenbäume dazu, weil man sie sich zu Weihnachten ins Zimmer stellt. Und dann natürlich, weil man diesen bekannten Weihnachtssong da singt ,O Tannenbaum, o Tannenbaum’, du weißt schon. ,O Fichtenbaum, o Fichtenbaum’ wäre ja irgendwie doof.“
    „Meine Oma macht immer einen sehr schönen Weihnachtsbaum“, sagte Lutz, „keinen großen, so vom Fußboden bis unter die Decke, nee, einen ziemlich kleinen sogar. Aber sie achtet jedesmal darauf, daß sie einen ganz gerade gewachsenen kriegt. Er steht immer auf der Nähmaschine. Sie schmückt ihn nur mit Lametta, Nüssen, Äpfeln und selbstgebackenen Brezeln. Für die Spitze hat sie allerdings was Künstliches, einen gläsernen Engel mit echten Haaren, Goldstaub auf den Flügeln und einer silbernen Posaune in der Hand. Der ist sehr wertvoll und ihr ganzer Stolz. In die Posaune kann man nämlich richtig reinblasen, weißt du, da kommt so ein feiner Ton raus. Voriges Jahr ist mir beim Abschmücken der Engel aus der Hand gefallen und zack! war ein Flügel ab. Sie hat Gott sei Dank nichts gemerkt, weil ich ihn heimlich wieder angeklebt habe. Aber ich hab’ mich ganz schön erschrocken.“
    Joachim aß den letzten Keks und stellte die leere Dose auf einen Zaunpfahl.
    „Du kannst dich freuen, daß du so eine Oma hast!“ sagte er. „Was meinst du, wie gern ich mit dir tauschen möchte! Bei uns ist Weihnachten so ziemlich das Schlimmste, was es gibt, so’n richtiger Anlaß für meinen Alten, mir jede Menge Backpfeifen ins Gesicht zu klatschen. Ich muß einen Anzug anziehen, Gedichte aufsagen und den ganzen Abend Weihnachtslieder trällern. Und wehe, ich mach’ Quatsch dabei! Dann krieg’ ich ein paar gesteckt, daß mir die Backen glühen! Einmal hab’ ich in dem Lied ,Ihr Kinderlein, kommet!’ statt ,Hoch oben schwebt jubelnd der Engelein Chor1 gesungen ,Hoch oben schwebt Josef den Engelnwas vor’. Nur so aus Spaß, weißt du, weil ich die ganze Singerei für doof halte. Das mit Josef dagegen fand ich klasse, weil man sich das so gut vorstellen kann, wie er da so hin und her schwebt und die Engel ihm zusehen, damit sie’s auch lernen. Du, da hab’ ich eine gefangen, daß ich glatt die Engel singen hörte, und mein Alter hat sich aufgespielt, als ob ich wer weiß was getan hätte. Ich durfte nichts mehr von meinem Teller essen und mußte sofort ins Bett. Mein Alter hat eben keinen Humor. Nee, geh mir los mit Weihnachten, darauf kann ich verzichten!“ Sie hatten den Wald erreicht und gingen hinein. „Mensch, hier ist es prima, was?“ rief Lutz. „Guck mal, überall hohes Gras und Farnkraut! Wenn wir uns da ‘reinlegen, sieht uns keiner!“
    „Das ist ja auch der Zweck der Übung“, entgegnete Joachim. „Aber ein paar Schritte laß uns man noch weitergehen, hier vorne stört uns sonst der Straßenlärm.“ Nach etwa fünfzig Metern hatten sie einen Platz gefunden, der ihnen zusagte. Es wurde auch Zeit, daß sie sich für die Nacht einrichteten, denn es dämmerte bereits. Sie polsterten eine Mulde, die sich mitten im Farnkraut befand, mit Gras aus, zogen sich dann die zweite Unterhose an und legten sich hin.
    „Wir sind eigentlich glücklich dran, daß wir in Europa leben“, sagte Joachim. „In Afrika oder Indien kannste dich nicht einfach so auf den Waldboden packen. Entweder wirste da von den Ameisen aufgefressen, von so ganz großen Viechern, weißte, so lang wie mein Daumen, oder die Giftschlangen blasen dir das Lebenslicht aus. Und wenn du auf einen Baum kletterst, um dich zu schützen, hockt da irgendwo schon so ‘ne reizende Großkatze und funkelt dich mit ihren grünen Augen erwartungsvoll an.“ „Von einem wilden Tier zerrissen zu werden, stelle ich mir scheußlich vor“, sagte Lutz. „Dann wär’s mir schon lieber, wenn mich ein Elefant tottrampelt. Davon kriegste, glaub’ ich, gar nicht viel mit. Zwei, drei Tritte, und du bist platt.“
    „Platt ja, aber tot noch lange nicht“, sagte Joachim. „Du mußt dir doch nicht einbilden, daß der sich gleich am Anfang deinen Kopf vornimmt!

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