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Zwei auf Achse

Zwei auf Achse

Titel: Zwei auf Achse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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dein Vater schon gestorben?“
    Lutz hob die Schultern und wurde rot.
    „Ich weiß nicht“ antwortete er, „er wohnt nicht bei uns. Meine Mutter hat ihn gar nicht geheiratet.“
    Die Frau nickte verstehend.
    „Ja“, sagte sie, „das gibt es. Vielleicht war er ein Lump und sie hat gut daran getan. Besser, du hast keinen Vater als einen schlechten.“
    „Wenn Sie das man wissen!“ rief Joachim. „Davon kann ich ein Liedchen singen!“
    Das Baby hatte den ganzen Teller leergegessen. Die Frau schüttelte es, damit es aufstoßen konnte, und stellte es dann wieder in den Lauf stall zurück. Sie nahm ein Tuch, wischte damit den bekleckerten Tisch ab und strich sich das Haar aus der Stirn.
    „Deine Mutter war also mit meinem Mann in München zusammen?“ fragte sie, indem sie sich den Kindern gegenüber auf einen Stuhl setzte.
    „Ich glaube, ja“, sagte Lutz. „Mit einem Herrn Birkeler jedenfalls.“
    Die Frau nickte.
    „Da mein Mann eine Zeitlang in München gelebt hat und der Name ja äußerst selten ist, könnte es hinkommen. Was sollt ihr ihm also von deiner Mutter bestellen? Ja, wo ist deine Mutter überhaupt? Warum kommt sie nicht selbst?“
    Lutz wurde aufs neue rot.
    „Wir sollten ihm nur Grüße bestellen“, sagte er hastig. „Meine Mutter hätte gern gewußt, wie es ihm so geht und so. Ob er inzwischen verheiratet ist und Kinder hat und all das. Meine Mutter wartet am Bahnhof und traut sich nicht her. Sie meint, daß Sie vielleicht eifersüchtig werden könnten. Frauen sind manchmal so, sagt sie. Und darum hat sie uns geschickt.“
    Frau Birkeler lächelte.
    „Deine Mutter scheint sich auszukennen und schlechte Erfahrungen gemacht zu haben“, sagte sie. „Aber ich bin nicht eifersüchtig gewesen, nie. Mein Mann dagegen sehr.“
    „Haben Sie nicht ein Bild von ihm?“ fragte Lutz. „Ein Foto? Es würde mich schon interessieren, wie der Mann aussah, mit dem meine Mutter mal befreundet war, auch wenn es schon so lange her ist.“
    „Natürlich habe ich Fotos von ihm“, sagte Frau Birkeler. „Wir waren ja immerhin sieben Jahre miteinander verheiratet. Moment, ich hole mal ein Album aus dem Wohnzimmer.“
    „Die ist in Ordnung, was?“ flüsterte Joachim Lutz zu, als Frau Birkeler draußen war. „Das wäre bestimmt ‘ne prima Mutter.“
    Sie kam zurück.
    „Hier“, sagte sie, „das war mein Mann. So sah er bei unserer Hochzeit aus. Komisch mit dem kurzen Haar, nicht? Aber das war damals ja Mode. Später hat er sich die Haare natürlich länger wachsen lassen. Auf diesem Bild könnt ihr es sehen.“
    „Hm“, sagte Joachim, „der war nicht ohne, ich meine, mit dem konnten Sie sich sehen lassen. Der sah richtig gut aus. Haben Sie nicht auch ein Bild von ihm, wo man ihn von der Seite sehen kann, sein Profil? Man sagt doch, an der Nase und der Stirn eines Menschen kann man seinen Charakter erkennen.“
    Frau Birkeler nickte und blätterte suchend ein paar Seiten weiter.
    „Hier hab’ ich eins“, sagte sie. „Das ist in Stuttgart aufgenommen, von seinem Beifahrer. Er hat nämlich als Fernfahrer gearbeitet und steht da gerade vor seinem Lastzug.“ Joachim beugte sich über das Foto.
    „Schade, daß das Bild so klein ist“, sagte er, „man kann die Nase zum Beispiel kaum erkennen.“
    „Warte mal“, rief Frau Birkeler, „da gibt es noch eins! Ja, hier! Das ist auf dem Geburtstag von meinem Bruder vor etwa dreieinhalb Jahren, kurz vor seinem Tod.“
    „O ja“, sagte Joachim, „auf dem Bild sieht man mehr.“ Er neigte den Kopf, betrachtete Herrn Henry Birkeler genau und verglich ihn unauffällig mit Lutz.
    „Ihr Mann sieht so aus, als ob er einen starken Willen gehabt hätte und auch so gesund. Woran ist er denn so früh gestorben?“
    Frau Birkeler blickte versonnen auf das Foto, und es schien den Jungen, als würde sie gleich zu weinen beginnen. „Er war auch gesund“, sagte sie leise, „hat nie etwas gehabt. Und er ist auch an keiner Krankheit gestorben, sondern an einer lächerlich einfachen Operation.“
    „Verstehe“, rief Joachim, „Blinddarm wahrscheinlich!“
    „Nein“, sagte Frau Birkeler, indem sie den Kopf schüttelte. „Wir konnten keine Kinder bekommen, seinetwegen, und darum mußte er einen kleinen Eingriff bei sich vornehmen lassen. Die Operation, die als sehr harmlos gilt, verlief auch gut, aber dann bekam er eine Embolie und starb.“
    Frau Birkeler wischte sich die Augen. Lutz sah sie hilflos an. Joachim blieb sachlich. Er zeigte auf das Baby. „Dann

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