Zwei bemerkenswerte Frauen
Streifenmuster auffallen. Hinter den Church Cliffs macht der Strand eine sanfte Rechtsbiegung und läuft dann in gerader Linie weiter auf Charmouth zu. Hinter dieser Rechtsbiegung hängt der Black Ven über dem Strand, ein riesiger Erdrutsch aus Mergel, der von den Klippen zum Meer hin abfällt. Sowohl die Church Cliffs als auch der Black Ven bergen viele Fossilien, die sich mit der Zeit aus den Klippen lösen und auf den darunter liegenden Strand fallen. An diesem Ort fand Mary viele ihrer besten Stücke. Und es war der Ort, an dem sich unsere größten Tragödien abspielten.
Als unser zweiter Sommer in Lyme begann, hatte Margaret sich bereits bestens eingelebt. Sie war jung, hatte von der Seeluft einen frischen Teint, und sie war immer noch neu, was sie zu einem Liebling der Amüsiergesellschaft machte. Bald hatte sie feste Spielpartner fürs Whist gefunden, mit anderen Bekannten ging sie regelmäßig zum Baden, und dann gab es noch Familien, mit denen sie über den Cobb flanierte. Während der Saison fand jeden Dienstagabend ein Tanzvergnügen im Ballsaal statt, und Margaret, die keines von ihnen ausließ, wurde wegen ihrer Leichtfüßigkeit zu einer begehrten Tanzpartnerin. Manchmal begleiteten Louise und ich sie, doch sie fand bald interessantere Freunde, denen sie sich anschließen konnte: Familien aus London, Bristol oder Exeter, die einen Teil des Sommers in Lyme verbrachten, außerdem noch ein paar handverlesene Einheimische. Louise und ich waren froh, nicht jedes Mal mitkommen zu müssen. Seit jener «schneidenden» Bemerkung über mein Kinn vor ein paar Jahren tanzte ich nicht mehr gerne, saß lieber am Tisch und schaute zu oder blieb gleich zu Hause und las. Wenn drei Schwestern zusammen mit hundertfünfzig Pfund im Jahr auskommen müssen, bleibt nicht viel Geld für Bücher übrig. In Lymes Leihbibliothek gab es vor allem Romane, doch zu den gängigen Gelegenheiten wie Weihnachten oder meinen Geburtstagen wünschte ich mir ausschließlich Bücher über Naturkunde. Für ein Buch verzichtete ich gerne jederzeit auf einen neuen Schal; außerdem hatte ich Freunde in London, die mir Bücher liehen.
Meine Schwestern vermissten London nicht mehr. Margaret war lieber umschwärmter Mittelpunkt in einer Kleinstadt, als sich in der Londoner Gesellschaft unter Tausenden behaupten zu müssen. Auch Louise wirkte zufrieden, denn die Ruhe sagte ihr zu. Sie liebte den Garten des Morley Cottage mit seiner Aussicht über die Bucht von Lyme und dem hundertjährigen Tulpenbaum in einer der Ecken. Unser Garten in Lyme war viel größer als der am Red Lion Square, wo wir natürlich Gärtner gehabt hatten. Hier jedoch machte Louise fast alles allein, und es gefiel ihr so. Das Klima war eine Herausforderung für sie, denn der salzige Wind verlangte robustere Pflanzen als der milde Londoner Regen. Hier gediehen Veronica, Fetthenne und Wacholder, Salbei, Grasnelken und Stranddisteln. Louise legte Rosenbeete an, die schöner waren als alle, die ich in Bloomsbury gesehen hatte.
Von uns dreien war ich diejenige, die London am meisten nachtrauerte. Mir fehlten die neuen Ideen, die dort ständig im Umlauf waren. In London hatten wir zu einem großen Zirkel von Anwaltsfamilien gehört. Die gesellschaftlichen Anlässe waren nicht nur unterhaltsam, sondern auch intellektuell stimulierend. Oft hatte ich mit meinem Bruder und seinen Freunden beim Dinner gesessen und ihren Diskussionen gelauscht: Wie stand es mit Napoleons Aussichten? Hätte Pitt wirklich noch einmal Premierminister werden müssen? Was sollte man gegen den Sklavenhandel unternehmen? Gelegentlich steuerte ich sogar selbst eine Anmerkung zum Gespräch bei.
In Lyme gab es solche Gespräche nicht. Ich hatte zwar meine Fossilien, um mir die Zeit zu vertreiben, über sie reden konnte ich jedoch mit kaum jemandem. Wenn ich ein Buch von Hutton, Cuvier, Werner, Lamarck oder anderen Naturwissenschaftlern gelesen hatte, fehlten mir Freunde in der Nähe, die ich hätte fragen können, was sie von den radikalen Ideen dieser Männer hielten. Lyme war zwar von bemerkenswerten Naturphänomenen umgeben, nur interessierte sich fast niemand aus der Mittelklasse der Stadt dafür. Man zog es vor, sich über das Wetter und die Gezeiten zu unterhalten, über den Fischfang und den Feldbau, die Sommergäste und die Saison. Eigentlich hätte ich erwartet, dass die Leute sich Gedanken über Napoleon und den Krieg mit Frankreich machten, und sei es nur wegen der Auswirkungen auf die kleine
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