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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Kiefer und jede Menge Zähne.» Joe wirkte fast verängstigt.
    «Dann ist es ein Krokodil», erklärte ich. «Was soll es sonst sein.»
    «Komm mit und guck’s dir an.»
    «Ich kann nicht, was soll ich mit dem Baby machen?»
    «Nimm ihn mit.»
    «Geht nicht, es ist zu kalt.»
    «Und wenn wir ihn so lange bei den Nachbarn lassen?»
    Ich schüttelte den Kopf. «Die haben schon so viel für uns getan, wir können sie nicht schon wieder um Hilfe bitten, erst recht nicht wegen so was.» Unsere Nachbarn am Cockmoile Square hatten was gegen unsere Kuris. Zwar beneideten sie uns um das bisschen Geld, das wir mit ihnen verdienten, doch gleichzeitig begriffen sie nicht, wieso überhaupt jemand bereit war, auch nur einen Penny für so ein Stück Stein auszugeben. Ich wusste, dass wir sie nur im äußersten Notfall um Hilfe bitten durften.
    «Halt ihn mal kurz.» Ich reichte Joe das Baby und ging ins Nebenzimmer, um nach Mam zu schauen. Sie schlief tief und fest und sah ausnahmsweise einmal so friedlich aus, dass ich es nicht übers Herz brachte, das schreiende Baby neben sie zu legen. Also wickelten wir ihn in so viele Tücher, wie um das kleine Ding herumgingen, und nahmen ihn mit.
    Weil ich das Baby auf dem Arm hatte, konnte ich meine Hände nicht nutzen, um mein Gleichgewicht zu halten, deshalb stocherten wir langsamer als sonst den Strand entlang. Joe beschrieb mir unterwegs, wie er in dem neuen Erdrutsch, der während des letzten Gewitters abgegangen war, nach Kuris gesucht hatte. Auf die Klippenwände selbst hatte er eigentlich gar nicht bewusst geschaut, aber als er sich einmal aufrichtete, nachdem er eine Weile in ein paar lose liegenden Steinen am Boden herumgestochert hatte, stach ihm plötzlich in einem Felsband in der Klippe eine Zahnreihe ins Auge.
    «Hier ist es.» Joe blieb an einer Stelle stehen, an der er vier Steine aufgehäuft hatte, drei Steine als Basis und einen in der Mitte obendrauf, das Kennzeichen, mit dem wir Annings unsere Fundstellen markieren, wenn wir sie verlassen müssen. Ich legte das Baby ab, das jetzt kaum noch einen Mucks von sich gab, weil es so fror, und schaute konzentriert auf das Felsband, auf das Joe deutete. Vor lauter Aufregung merkte ich gar nicht, wie kalt es war.
    Die Zähne entdeckte ich sofort. Sie befanden sich knapp unter Augenhöhe der Kreatur und standen nicht in gleichmäßigen Reihen, sondern kreuz und quer durcheinander zwischen den beiden langen dunklen Teilen, die einmal Maul und Kiefer gewesen sein mussten. Nach vorne hin liefen diese Knochen zu einer spitzen länglichen Schnauze zusammen. Andächtig schauend fuhr ich mit den Fingern darüber. Plötzlich spürte ich, wie der Blitz mich durchzuckte. Dies war die Riesenbestie, nach der Pa all die Jahre gesucht hatte. Schade, jetzt konnte er sie nicht mehr sehen.
    Doch es sollte noch ein stärkerer Blitzschlag kommen. Joe legte einen Finger auf eine größere Wölbung direkt oberhalb des Kieferscharniers. Sie schien kreisrund zu sein, auch wenn ein Teil von ihr unterm Fels lag, und sah aus wie ein Brötchen auf einem Unterteller. Die runde Form erinnerte an einen Ammo, doch es gab keine durch Rippen unterteilte Spirale, es konnte eher ein Ring von Knochenplatten um eine große leere Augenhöhle sein. Ich starrte auf diese Augenhöhle und hatte das Gefühl, dass sie zurückstarrte.
    «Meinst du, das ist das Auge?», fragte ich.
    «Ich glaub schon.»
    Ich erschauderte. Es war die Art Schauder, die einen überfällt, obwohl man gar nicht friert. Gab es wirklich so große Krokodilsaugen? Das Krokodil auf dem Bild von Miss Elizabeth hatte kleine Schweinsäuglein gehabt und nicht solche riesigen Eulenaugen. Mir wurde ganz mulmig, je länger ich auf dieses Auge schaute. Es musste eine Welt voller Wunder geben, von der ich nichts wusste: Krokodile mit riesigen Augen, Schlangen ohne Köpfe und Donnerschläge, die Gott auf die Erde schleuderte, wo sie zu Stein wurden. So ähnlich, so seltsam hohl und leer, fühlte ich mich manchmal, wenn ich nachts in den Sternenhimmel blickte, oder bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen ich von einem Boot aus ins tiefe Wasser schauen konnte. Ich mochte dieses Gefühl nicht, unsere Welt kam mir dann immer ganz fremd vor. Viel zu fremd für mich, um sie jemals verstehen zu können. In solchen Situationen ging ich am liebsten in unsere Kirche, wo ich sitzen blieb, bis ich mich wieder sicher in Gottes Hand wusste, der sich schon um all diese Rätsel kümmern würde. Dann verging die Angst.
    «Wie

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