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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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Umstand, dass es sich an einem so fernen Ort befand. Gelehrte Männer debattierten in Versammlungen über den Ichthyosaurier und schrieben Artikel über ihn. Mary war von all dem ausgeschlossen. Man traute ihr zwar zu, Fossilien zu finden, aber nicht, sie mit zu erforschen. Und selbst die Fossilienjagd gestaltete sich immer schwieriger: Obwohl sie täglich die Church Cliffs und den Black Ven durchkämmte, hatte Mary schon seit über einem Jahr keinen kompletten Ichthyosaurier mehr gefunden.
    Eines Tages schlug ich ihr vor, am Strand bei Seatown, das sich mehrere Meilen östlich von Charmouth befand, nach Schlangensternen und Crinoiden zu suchen. Normalerweise gingen wir nie so weit raus, doch ich glaubte, eine andere Gegend würde Mary guttun, und hatte Seatown vorgeschlagen, damit sie auf der Suche nach der schwer zu findenden Riesenbestie nicht immer nur am selben Strandabschnitt umherstreifte. Wir wählten einen sonnigen Tag, an dem die Gezeiten einen frühen Aufbruch nötig machten. Bereitwillig begleitete mich Mary über die Church Cliffs und den Black Ven hinaus, aber als wir dann kurz hinter Charmouth zum Gabriel’s Ledge kamen, fing sie an, sich ständig umzuschauen, als würden die Klippen sie zurückrufen. «Da hinten hat es geblitzt», sagte sie voller Überzeugung. «Haben Sie es nicht gesehen?»
    Ich schüttelte den Kopf und lief weiter den Strand entlang, in der Hoffnung, sie würde mir folgen.
    «Da, schon wieder», sagte Mary. «Oh, schauen Sie nur, Miss Philpot, glauben Sie, der will was von uns?»
    Ein Mann kam über den Strand auf uns zugeschritten. Obwohl bei dem milden Wetter und herrlichen Morgenlicht noch andere Menschen draußen unterwegs waren, grüßte er niemanden. Er schien sein Ziel genau zu kennen, und dieses Ziel waren – wir. Der Mann war groß, hielt sich sehr aufrecht und trug die hohen Stiefel und den langen roten Mantel eines Soldaten. Die Messingknöpfe seiner Uniform blitzten in der Sonne. Nur selten löst der Anblick eines Mannes Gefühle in mir aus, aber dieser Mann schien uns mit einer solchen Entschlossenheit einholen zu wollen, dass plötzlich eine Erregung in mir aufwallte, an die ich mich noch lange erinnern sollte.
    Als er näher kam, lächelte er. Er war eine eindrucksvolle Persönlichkeit; ungefähr fünfzig Jahre alt, gepflegt, honorig, selbstbewusst und mit der strammen militärischen Haltung, die einem Mann so gut steht. Die Augen in seinem wettergegerbten Gesicht blinzelten gegen Sonne und Wind an, doch es tat seiner Attraktivität keinen Abbruch. Als er seinen Dreispitz lüftete und sich verbeugte, erhaschte ich einen Blick auf den von grauen Strähnen durchzogenen Scheitel in seinem dichten schwarzen Haar.
    «Meine Damen», verkündete er. «Ich suche Sie schon den ganzen Morgen und bin hocherfreut, Sie endlich gefunden zu haben.» Schwungvoll setzte er den Hut wieder auf, so dass die weißen Federn, mit denen er geschmückt war, zitterten. Sein Haar war so dicht und wellig, dass der Hut jeden Moment herunterzurutschen drohte.
    Noch nie habe ich Männern getraut, die mit den Haaren führen, denn das tun nur Menschen, die eitel und zu sehr von sich eingenommen sind.
    «Ich bin Colonel Birch vom 1. Regiment Leibgarde.» Er hielt inne, ließ den Blick zwischen uns hin und her schweifen und verweilte dann bei Mary. «Und Sie müssen die bemerkenswerte Mary Anning sein, die bereits mehrere Ichthyosaurierfossilien gefunden hat. Liege ich da richtig?»
    Mary nickte, unfähig, den Blick von ihm zu wenden.
    Jeder, der von Mary gehört hatte, wusste auch, dass sie jung war und von niederer Herkunft. Die zwanzig Jahre, die ich ihr voraus hatte, standen mir im Gesicht geschrieben, auch meine feineren Kleider und meine Haltung machten eine Verwechslung unmöglich. Und doch gab es mir einen eifersüchtigen Stich, dass dieser attraktive Mann nicht wegen mir den Strand entlanggelaufen war.
    Wohl deshalb reagierte ich kratzbürstiger als beabsichtigt. «Vermutlich wollen Sie, dass Mary Ihnen einen Ichthyosaurier sucht, so wie Sie sonst bei Ihrem Kunsthändler Drucke für bestimmte Wände bestellen.»
    Mary warf mir einen wütenden Blick zu. So unhöflich hatte sie mich noch nie erlebt, doch Colonel Birch lachte nur. «Genauso ist es. Ich möchte, dass Mary mir hilft, einen Ichthyosaurier zu finden. Falls sie einverstanden ist.»
    «Natürlich, Sir!»
    «Sie müssen erst ihre Mutter und ihren Bruder um Erlaubnis fragen. Alles andere wäre unschicklich», ich konnte meine scharfe

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