Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier

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wurde, deren Erschütterungen so gewaltig waren, dass sich Berge auftürmten, Meere explodierten und ganze Arten vernichtet wurden. Er selbst hat sich über das Wirken Gottes in dieser Sache ausgeschwiegen, doch andere interpretieren die Katastrophen als systematisch und meinen, Gott habe durch sie seine Schöpfung reguliert. Die Sintflut ist demzufolge nur die jüngste dieser Katastrophen, was wiederum zu der Frage führt, ob wir bald mit der nächsten rechnen müssen!»
    «Ja, das muss man sich fragen», sagte die Witwe mit leiser Stimme. Angesichts ihrer Unsicherheit musste ich die Zähne zusammenbeißen. Auch wenn er mich noch so sehr ärgerte, Colonel Birch war an der Welt interessiert und neugierig. Würde ich neben ihm stehen, hätte ich sicher mehr zu sagen als «Ja, das muss man sich fragen.»
    Vermutlich hätte ich den beiden weiterhin den Rücken zugekehrt und Colonel Birch für immer aus unserem Leben gestrichen, wenn er nicht weiter geredet und Folgendes gesagt hätte: «Die Fossilien hier erinnern mich an den vergangenen Sommer in Lyme Regis. Dort habe ich eine recht gute Hand im Fossiliensuchen entwickelt. Ich habe nicht nur einen kompletten Ichthyosaurier gefunden, sondern auch Fragmente von vielen anderen Fossilien, außerdem noch eine riesige Sammlung von Pentacrini – Sie erinnern sich, die Seelilien, die ich Ihnen gezeigt habe?»
    «Ich bin nicht ganz sicher.»
    Colonel Birch schmunzelte. «Natürlich nicht, meine Werte. Damen sind einfach nicht dafür gemacht, solche Dinge genauer zu betrachten. Das ist eher etwas für uns Männer.»
    Ich drehte mich um. «Das hätte Mary Anning hören sollen, Colonel Birch! Ich glaube, Sie würde Ihnen da nicht ohne weiteres zustimmen.»
    Colonel Birch erschrak, auch wenn seine militärische Haltung es ihm verbat, zu viel Verwunderung zu zeigen. Er verbeugte sich. «Miss Philpot! Was für eine Überraschung – und natürlich auch eine Freude –, Sie hier zu sehen. Bei unserer letzten Begegnung haben wir uns über meinen Ichthyosaurier unterhalten, nicht wahr? Darf ich Ihnen Mrs Taylor vorstellen. Mrs Taylor, dies ist Miss Philpot, die ich während meines Aufenthalts in Lyme kennengelernt habe. Wir teilen das Interesse an Fossilien.»
    Mrs Taylor und ich nickten uns zu, und auch wenn sie weiterhin freundlich schaute, schien ihre Maske zu bröckeln. Darunter kam jeder ihrer Gesichtszüge in seiner natürlichen Form zum Vorschein, so dass ich sehen konnte, wie dünn ihre vorgestülpten Lippen waren, um die sich ein Kreis von Schmollfalten zog, so dass ihr Mund wie ein oben mit einer Kordel zusammengezogener Beutel aussah.
    «Und wie geht es im wunderschönen Lyme?», fragte Colonel Birch. «Durchkämmen die Bewohner der Stadt immer noch täglich den Strand und suchen nach alten Schätzen, die von Lebewesen vergangener Epochen künden?»
    Ich verstand dies als eine verdeckte und durch ihre misslungene Poetik umständlich formulierte Frage nach Marys Wohlergehen. Meine Antwort war klar und schnörkellos, so wie ich immer sprach. «Mary Anning sucht immer noch Fossilien, wenn Sie das fragen wollten, Sir. Und ihr Bruder hilft ihr dabei, wann immer er kann. Aber trotzdem geht es der Familie sehr schlecht, denn sie haben seit vielen Monaten kaum etwas Wertvolles gefunden.»
    Während ich sprach, folgten die Augen von Colonel Birch der anderen Besuchergruppe, die in den nächsten Raum weiterging. Vielleicht wünschte er sich, er könne mit ihnen verschwinden.
    «Außerdem hat man sie nicht für ihre Arbeit bezahlt, wie Sie sicher aus Ihrer Korrespondenz wissen», fügte ich hinzu. Ich hatte meine Stimme bewusst erhoben und ein wenig Schärfe hineingelegt, so dass sich die Kordel um den Beutelmund von Mrs Taylor noch fester zusammenzog.
    In dem Moment betraten Margaret und Louise den Raum. Sie suchten mich, da wir bald zu Hause erwartet wurden. Als sie Colonel Birch erblickten, blieben sie wie angewurzelt stehen und Margaret wurde blass.
    «Ich würde mich sehr gern noch ausführlicher mit Ihnen über die Annings unterhalten, Colonel Birch», erklärte ich. Es war schon schlimm genug, mit all seiner Selbstgefälligkeit konfrontiert zu werden und zu hören, wie er der Witwe gegenüber mit Fossilien prahlte, die er gar nicht selbst gefunden hatte. Eigentlich hatte ich ihn aus dem Leben der Annings heraushalten wollen, doch seine abwertenden Worte über die weibliche Beobachtungsgabe, mit denen er Mary und mir alles streitig machte, was wir über die Jahre hinweg gefunden