Zwei bemerkenswerte Frauen
hatten wir uns getrennt und unterschiedliche Abteilungen aufgesucht, da jede von uns ihre Lieblingsexponate hatte. Margaret war in der Galerie, wo sie sich über die Sammlung von Kameen und Siegelsteinen beugte, während Louise sich in Mary Delany’s Florilegium im Obergeschoss aufhielt, einer Sammlung von Pflanzenbildern aus Papiercollagen. Ich selbst befand mich in der großen Halle, wo sich die naturgeschichtliche Sammlung über mehrere Ausstellungsräume erstreckte. In den meisten von ihnen gab es Steine und Mineralien zu sehen, aber in jüngster Zeit waren vier Räume mit neu arrangierten Fossilien hinzugekommen. Eine ansehnliche Anzahl von Exemplaren, darunter auch ein paar weitere von mir gestiftete Fischfossilien, stammte aus der Gegend um Lyme Regis. Auch Marys erster Ichthyosaurier war hier ausgestellt. Er befand sich in einer eigenen langen Glasvitrine, zum Glück ohne Weste und Monokel, aber immer noch mit vereinzelten Gipsspuren und geradem Schwanz. Als Finder wurde nach wie vor Lord Henley genannt. Ich hatte den Ichthyosaurier bereits öfters besucht und den Annings in einem Brief seinen neuen Aufenthaltsort beschrieben.
Es war still im Saal, denn außer mir lief nur eine kleine Besuchergruppe an den Schaukästen vorbei. Ich betrachtete gerade einen Schädel, der von Cuvier als Mammutschädel identifiziert worden war, als plötzlich eine vertraute Stimme durch den Raum hallte. «Werte Dame, erst wenn Sie diesen Ichthyosaurier gesehen haben, können Sie richtig verstehen, wie überragend mein eigenes Exemplar ist.» Einen Moment lang schloss ich die Augen, um mein rasendes Herz zur Ruhe zu bringen.
Colonel Birch war durch die Tür am anderen Ende des Saals eingetreten. Wie immer in seinen alten roten Soldatenmantel gekleidet, führte er eine Dame am Arm, die ein wenig älter als ich selbst war. Ihr dunkles Kleid ließ vermuten, dass es sich um eine Witwe handelte. Sie hatte ein maskenhaft freundliches Gesicht und gehörte zu den seltenen Menschen, die mit keinem Merkmal führen.
Ich erstarrte, als die beiden zu Marys Ichthyosaurier gingen. Obwohl ich ganz in ihrer Nähe stand, hatte ich ihnen den Rücken zugekehrt, und Colonel Birch bemerkte mich nicht. Ich konnte alles hören, was sie redeten – oder besser, was Colonel Birch redete, denn seine Begleiterin trug außer zustimmenden Kommentaren nichts zur Unterhaltung bei.
«Sehen Sie, dass dieser hier verglichen mit meinem nichts als ein Knochenhaufen ist?», dozierte er. «Schauen Sie nur, wie die Wirbel und Rippen zusammenquetscht wurden. Und wie unvollständig er ist. Und dann noch diese verfärbten Gipsspuren zwischen den Rippen und an der Wirbelsäule! Dort hat Mr Bullock herumgepfuscht, um das Fossil zu vervollständigen. Mein Fossil hat keinen Gips gebraucht. Es ist vielleicht kleiner als dieses, aber ich habe es völlig intakt gefunden, nicht ein Knochen war am falschen Platz.»
«Wie faszinierend», hauchte die Witwe.
«Und denken Sie nur, anfangs hat man geglaubt, dies sei ein Krokodil. Ich natürlich nicht. Mir war gleich klar, dass es sich um etwas anderes handeln musste. Deshalb wollte ich unbedingt selbst so ein Fossil finden.»
«Und das haben Sie dann.»
«Die Ichthyosaurier gehören zu den wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen überhaupt.»
«Wirklich?»
«Soviel wir wissen, gibt es den Ichthyosaurier heute nicht mehr. Er ist sogar schon länger von der Erde verschwunden. Und das bedeutet, werte Dame, dass gelehrte Männer sich mit der Frage konfrontiert sehen, wie diese Lebewesen aussterben konnten.»
«Und was glauben sie?»
«Einige vermuten, sie könnten während der Sintflut gestorben sein; andere meinen, dass sie einer anderen Katastrophe wie einem Vulkanausbruch oder einem Erdbeben zum Opfer gefallen sind. Was immer auch die Ursache gewesen sein mag, die Tatsache, dass es diese Lebewesen einmal gab, hatte Auswirkungen auf unser Wissen vom Alter der Welt. Wir vermuten nun, dass sie älter sein könnte als die 6000 Jahre, die Bischof Ussher ihr zugeschrieben hat.»
«Ich verstehe. Wie interessant.» Die Stimme der Witwe bebte leicht, als habe Colonel Birch mit seiner Vermutung die Ordnung ihrer schlichten Gedankenwelt durcheinandergebracht. Solche Herausforderungen war sie eindeutig nicht gewohnt.
«Ich habe über Cuviers Katastrophentheorie gelesen», tat sich Colonel Birch mit seinem Wissen hervor. «Cuvier vermutet, dass die Welt im Lauf der Zeit durch eine Serie schrecklicher Naturkatastrophen geformt
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