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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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dienen, seine leeren Taschen zu füllen. Meine Worte waren vergebens gewesen. Dieser unmissverständliche Beweis meiner Machtlosigkeit trieb mir die Zornestränen in die Augen.
    Louise reichte mir die Zeitung zurück. «Man kann die zu versteigernden Objekte in einer Vorschau besichtigen», sagte sie.
    «Ich werde keinen Fuß in Bullocks Museum setzen», schnappte ich, zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte mich. «Außerdem weiß ich genau, was sich in dieser Sammlung befindet, ich muss es mir nicht ansehen.»
    Doch als John und ich später allein in seinem Arbeitszimmer saßen, um über die finanziellen Angelegenheiten der Lyme-Schwestern zu sprechen, unterbrach ich seine Ausführungen über Zahlen. «Würdest du mich zu Bullocks begleiten?» Ich schaute ihn dabei nicht an, sondern hielt den Blick auf den ebenmäßigen Nautilus gerichtet, den ich am Monmouth Strand gefunden und John als Briefbeschwerer geschenkt hatte. «Nur wir beide, wir wollen es nicht als Ausflug in der großen Gruppe inszenieren. Ich will nur kurz hineinschauen und mir einen schnellen Überblick verschaffen. Die anderen müssen es nicht wissen, ich will nicht, dass sie viel Aufhebens um die Sache machen.»
    Ich glaubte einen Anflug von Mitleid über sein Gesicht huschen zu sehen, doch er verbarg es schnell hinter dem unbeteiligten Ausdruck des Rechtsanwalts. «Überlass das mir», sagte er.
    Mehrere Tage lang erwähnte John den Besuch bei Bullocks mit keinem Wort, doch ich kannte meinen Bruder und vertraute darauf, dass er schon alles in die Wege leiten würde. Eines Abends verkündete er dann während des Abendbrots, es sei nötig, dass die Lyme-Schwestern gegen Ende der Woche in seiner Kanzlei vorbeischauten, um bestimmte Dokumente gegenzuzeichnen, die er für uns aufgesetzt hatte.
    Margaret verzog das Gesicht. «Kannst du die Papiere nicht mit nach Hause bringen?»
    «Es muss in der Kanzlei sein, da ein Kollege als Zeuge anwesend sein sollte», erklärte John.
    Margaret stöhnte, und Louise schob missmutig ein Stück Schellfisch auf ihrem Teller herum. Wir alle empfanden die Kanzlei als langweilig. Und so sehr ich meinen Bruder liebte und schätzte, fand ich auch ihn zuweilen etwas langweilig, was sich vermutlich noch verstärkt hatte, seit wir in Lyme lebten. Dort mochten die Leuten vieles sein – langweilig waren sie nicht.
    «Ihr müsst natürlich nicht alle kommen», sagte John mit einem Blick in meine Richtung. «Eine von euch könnte die anderen vertreten.»
    Margaret und Louise schauten erst einander an und dann mich. Beide hofften, dass sich jemand freiwillig melden würde. Ich ließ einen angemessenen Moment verstreichen und seufzte dann auf. «Gut, ich mache es.»
    John nickte. «Um die bittere Pille zu versüßen, werden wir anschließend in meinem Club essen gehen. Wäre dir der Donnerstag recht?»
    Donnerstag war der erste Tag der Vorschau, und Johns Club befand sich in der Mall, nicht weit von Bullocks Museum entfernt.
    Bis zum Donnerstag hatte John irgendein Dokument aufgesetzt, das ich unterzeichnen konnte, so dass unser Vorwand keine Lüge war. Wir aßen auch in seinem Club, aber es war eine schnelle, nur aus einem Gang bestehende Mahlzeit, damit wir früh genug in die Ägyptische Halle kamen.
    Es schauderte mich, als wir das gelbe Gebäude betraten, dessen Eingangsportal immer noch von den Statuen von Isis und Osiris bewacht wurde. Vor mehreren Jahren, als ich dort Marys Ichthyosaurier sah, hatte ich mir geschworen, niemals wieder einen Fuß in dieses Museum zu setzen, mochten die Ausstellungen dort noch so verlockend sein. Angesichts dieses gebrochenen Gelübdes war mir jetzt etwas beklommen zumute.
    Colonel Birchs Fossilien waren in einem kleineren Raum des Museums ausgestellt. Man hatte sie zwar wie Museumsstücke arrangiert und zu Gruppen einander ähnlicher Exemplare geordnet – Pentacrini, Ichthyosaurierfragmente, Ammoniten und so fort –, doch befanden sie sich nicht hinter Glas, sondern lagen offen auf Tischen. Der vollständige Ichthyosaurier war in der Mitte des Raums ausgestellt, und er wirkte so atemberaubend wie damals in der Werkstatt der Annings.
    Ich fand es immer wieder überraschend, Fossilien aus Lyme in einem Londoner Umfeld zu sehen, eine Erfahrung, die mir allerdings schon aus dem Britischen Museum vertraut war. Noch mehr überraschte mich jedoch, wie viele Menschen gekommen waren. Überall standen Männer herum und nahmen Fossilien hoch, betrachteten sie eingehend und diskutierten miteinander

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