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Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
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was ich auf dieser Auktion wollte? Ich hatte nicht vor, auf eines der Lose zu bieten – die wenigen Fischfossilien, die Colonel Birch in seiner Sammlung hatte, waren den meinigen unterlegen. Außerdem würde es mich sicher aufregen, wenn ich mit ansehen musste, wie Marys mühsam zusammengesuchtes Werk so herzlos in alle Winde zerstreut wurde. Trotzdem glaubte ich diesem bedeutenden Ereignis beiwohnen zu müssen. Immerhin war möglich, dass sogar der große Cuvier demnächst ein Fossil von Mary besaß, auch wenn er nicht wissen würde, dass sie die Finderin war. Allein um Marys willen musste ich hingehen.
    Als ich die schwere Haustür aufzog, hörte ich ein Geräusch hinter mir und erstarrte. Wie sollte ich meinen Schwestern oder den Dienstboten erklären, was ich hier draußen machte, nachdem ich eine so eindeutige Entschuldigung wie Kopfschmerzen vorgebracht hatte?
    Mein Neffe Johnny schaute mich von der Treppe an. Nach einem kurzen Schreckmoment legte ich einen Finger auf meine Lippen. Johnnys Augen wurden groß, doch er nickte. Auf Zehenspitzen stieg er die letzten Treppenstufen hinab. «Wo gehst du hin, Tante Elizabeth?», flüsterte er.
    «Ich muss etwas erledigen. Es ist geheim. Später werde ich es dir erzählen, Johnny. Ich verspreche es dir, wenn du mir versprichst, niemandem zu sagen, dass ich ausgegangen bin. Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?»
    Johnny nickte.
    «Gut. Und was machst du hier unten?»
    «Ich soll der Köchin etwas wegen der Suppe ausrichten.»
    «Dann geh. Wir sehen uns später.»
    Johnny ging zu der Treppe, die zur Küche hinabführte, blieb dort aber noch einmal stehen, um mir hinterherzublicken, als ich durch die Tür huschte. Ich war mir nicht sicher, ob er ein Geheimnis wahren konnte, aber ich würde mich auf ihn verlassen müssen.
    Ich zog die Tür hinter mir ins Schloss, lief die Treppe hinunter und eilte davon, ohne mich noch einmal danach umzuschauen, ob jemand im Fenster stand. Erst als ich um die nächste Ecke gebogen und das Haus meines Bruders außer Sicht war, verlangsamte ich mein Tempo und blieb schließlich stehen. Ich drückte mir das Taschentuch gegen den Mund und atmete tief durch. Ich war frei.
    Zumindest dachte ich das. Als ich am Britischen Museum vorbei durch die Great Russell Street ging, fielen mir andere Frauen auf, die in Pulks, Paaren oder kleinen Gruppen unterwegs waren. Entweder hatten sie Dienstmädchen dabei, Ehemänner, Väter oder Freunde. Allein waren bis auf das eine oder andere Dienstmädchen nur Männer auf der Straße unterwegs. Während ich in Lyme oft ohne Begleitung durch die Stadt ging, hatte ich das in London noch nie gemacht. Immer war jemand mitgekommen; meine Schwestern, mein Bruder, Freunde oder ein Dienstmädchen. In Lyme scherte man sich weniger um solche Konventionen, doch hier in London erwartete man von einer Dame meines Standes, in Begleitung zu gehen. Ich merkte, dass ich sowohl von Frauen als auch Männern angestarrt wurde – ich war eine Außenseiterin. Plötzlich fühlte ich mich allein und schutzlos, die Luft um mich herum wirkte kalt, still und leer. Mir war, als irrte ich blind durch die Straßen, und ich befürchtete, im nächsten Moment gegen etwas zu prallen. Ich ging an einem Mann vorbei, der mich mit dunkel funkelnden Augen ansah, dann an einem anderen, der mir mit übertriebener Freundlichkeit einen guten Tag wünschte, bis er mein unattraktives, längst nicht mehr junges Gesicht sah und schnell weiterging.
    Ich hatte vor gehabt, zu Fuß zu Bullocks Museum zu gehen, aber die Reaktionen, die ich schon auf einer relativ harmlosen und mir vertrauten Straße wie der Great Russell Street hervorrief, machten mir klar, dass ich nicht allein durch Soho und bis Piccadilly laufen konnte. Ich schaute mich nach einer Droschke um, sah aber nirgends eine, und wenn ich eine erblickte, ignorierte der Kutscher meine erhobene Hand und fuhr einfach weiter. Vielleicht rechneten sie einfach nicht damit, dass eine unbegleitete Dame eine Droschke brauchte.
    Ich überlegte, ob ich einen Mann um Hilfe bitten sollte, wurde allerdings von allen so seltsam angeschaut, dass ich den Plan gleich wieder verwarf. Schließlich hielt ich einen Jungen an, der hinter den Pferden herlief und ihre Äpfel einsammelte, und versprach ihm einen Penny, wenn er mir eine Droschke besorgen würde. Auf ihn zu warten, war fast noch schlimmer, als allein durch die Straßen zu gehen, denn stehend zog ich noch mehr Aufmerksamkeit auf mich. Männer schlenderten

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