Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei bemerkenswerte Frauen

Zwei bemerkenswerte Frauen

Titel: Zwei bemerkenswerte Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tracy Chevalier
Vom Netzwerk:
Auktion aufmerksam, was mich auf meinem Stuhl ganz unruhig werden ließ. Es war eine Unverschämtheit, das Auffüllen der leeren Taschen von Colonel Birch als guten Zweck zu bezeichnen! Angesichts der allgemeinen Wertschätzung, die ihm entgegenschlug, wäre ich am liebsten weggelaufen, nur hätte es zu viel Aufmerksamkeit erregt, wenn ich aufgestanden wäre und mich durch die Männermenge hinter mir geschoben hätte. Das hätte ich nicht ausgehalten. Außerdem hatte ich so viele Mühen auf mich genommen, um hierherzukommen, dass ich wutschäumend sitzen blieb.
    «Das ist wirklich bemerkenswert von Colonel Birch», flüsterte der Mann neben mir in einer Pause.
    Ich nickte. Obwohl ich seine Bewunderung nicht nachvollziehen konnte, wollte ich nicht mit einem Fremden über Colonel Birchs Charakter diskutieren.
    «Dass er so großzügig ist», fuhr der Mann fort.
    «Was meinen Sie damit, Sir?», fragte ich, doch meine Worte wurden von Mr Bullock übertönt, der laut dröhnend wie ein Zirkusdirektor weitermachte. «Und nun kommen wir zum schönsten und ungewöhnlichsten Exemplar aus der Sammlung von Colonel Birch. Ein außergewöhnlich mysteriöses Tier beehrt heute mein Haus. Sein Bruder hat Bullocks Museum sogar mehrere Jahre lang geziert und konnte hier einer staunenden Öffentlichkeit präsentiert werden. Damals haben wir es noch als Krokodil bezeichnet, aber einige der führenden Köpfe unseres Landes haben es genau studiert und sind der Ansicht, dass es sich um ein anderes Tier handeln muss, ein Tier, das man bislang noch nicht kannte. Heute sind bereits einzelne Teile dieses Tieres unter den Hammer gekommen: Wirbel, Rippen, Kieferknochen und Schädel. Doch jetzt, meine Damen und Herren, werden Sie sehen, wie sich all diese Einzelteile zu einem vollständigen, perfekten Prachtexemplar zusammenfügen. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorstellen: Der Birch-Ichthyosaurier!»
    Als das auf eine Platte montierte Fossil hereingetragen wurde, erhob sich die Menge von den Stühlen. Selbst ich stand auf und reckte den Hals, um etwas zu sehen, obwohl ich den Ichthyosaurier schon eingehend in der Werkstatt der Annings betrachtet hatte. Mr Bullock war wirklich ein Meister in der Kunst der Effekthascherei. Auch William Buckland, Charles Konig, Henry De la Beche und Reverend Conybeare reckten die Köpfe. Keiner von uns konnte sich dem Bann dieser seltsamen Kreatur entziehen.
    Das Fossil sah hervorragend aus. Wie schon die anderen versteigerten Fossilien machte es hier in London, in dem hell gestrichenen Saal mit seinen schönen Möbeln, einen ganz anderen Eindruck als in der feuchtkalten Lymer Seeluft vor den rauen Farbtönen der Natur. Es wirkte noch sonderbarer und schien aus einer anderen Welt zu kommen – einer älteren, ursprünglicheren und fremden Welt. Kaum vorstellbar, dass diese Kreatur jemals in einer von Menschen bewohnten Welt gelebt hatte oder einen Platz in der Großen Kette des Seins des Aristoteles einnahm.
    Es wurde lebhaft geboten, und schließlich ging der Ichthyosaurier für einhundert Pfund an das Royal College of Surgeons , die königlich medizinische Fakultät. Mary hätte das sicher gefallen. Noch wahrscheinlicher aber wäre sie wütend gewesen, dass man sie eines solchen Lohnes beraubte.
    Der Ichthyosaurier war das letzte Los der Auktion. Ich fehlte jetzt seit anderthalb Stunden in der Montague Street, wenn ich mir schnell eine Droschke nahm, würde es mir vielleicht gelingen, mich zurück in mein Schlafzimmer zu schleichen, ohne dass jemand meine Abwesenheit bemerkt hätte. Ich erhob mich, um schnell nach draußen zu huschen, bevor mich die Männer, die ich kannte, erblickten. Doch genau in dem Moment hatte sich in der ersten Sitzreihe des Saals auch Colonel Birch erhoben. Er ging zum Pult vor und rief über das Stimmengewirr hinweg: «Meine Herren! Meine Herren – und Damen.» Er hatte mich also entdeckt. Ich erstarrte.
    «Ich bin überwältigt von Ihrem Interesse und Ihrer Großzügigkeit.» Sein Blick wanderte zu mir und nagelte mich auf meinem Platz fest, so dass ich mir endlich anhören musste, was er zu sagen hatte. «Wie ich bereits sagte, habe ich meine Sammlung versteigern lassen, um Geld für eine sehr ehrenwerte Familie in Lyme zu sammeln – die Familie Anning.»
    Ich zuckte zusammen wie ein nervöses Pferd, schaffte es aber, keinen Laut von mir zu geben.
    «Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie sich entsprechend großzügig gezeigt haben.»
    Colonel Birch schaute mir in die Augen, als

Weitere Kostenlose Bücher