Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland
jugendlicher Gangster, im schwarzen Benz ohne Taxischild, der weder Hotel noch Adresse kennt, mit 100 durch die immer gleichen Straßen brettert und uns schließlich entnervt aus dem Wagen komplimentiert mit den Worten: »Isch kann nix mehr für eusch tun. Hier irgendwo muss die Straße sein!« Wir sind froh, dass wir die anderthalb Kilometer laufen können. Blöd, dass er jetzt weiß, wo wir heut Nacht wohnen …
Ja, und schließlich waren wir noch in Lobberich. Sprich: Lobberisch. Niederrheinische Provinz, kurz vor der holländischen Grenze. Eine ältere Dame, die uns zum Bahnhof nach Wasweißichwo fährt am Sonntagmorgen. Und die redet, als hätte sie erst ein Reibeisen und dann noch Horst Schlämmer gefrühstückt. Inklusive »Schätzelein«. Und Geschichten von Drogenkurieren, vom alten Lobberischen Glanz und davon, dass der Bahnhof in Schlagmischtot viel näher wäre, eigentlich Geldverschwendung, die Fahrt nach Wasweißichwo, aber ihr soll’s recht sein, sie fährt ja gern. Nein, macht uns nichts aus, wenn sie raucht. Reval ohne.
Aber in all der Zeit unserer Lesereisen hab ich eines nicht verstanden. Das war dieser Fahrer in Köln. Der mit den hölzernen Unter-der-Achsel-Krücken. Mit Patina drauf wie von 50 Jahren Einsatz im Lazarett. Er ging zum Kofferraum, ohne Hinken, wissen Sie, und holte die Krücken raus, Verzeihung, heißt ja politisch korrekt jetzt Gehhilfe, und beginnt einen Fuß nachzuziehen. War mir zu hoch. Ich glaub, das war so ein experimentelles, avantgardistisches Happening. Egal. Man muss ja nicht alles verstehen. Köln ist halt schon eine Kulturstadt.
So, ich muss weg, schon gleich 20:15 Uhr. Was? Tatort? Nee! … Wie? Liebe in der Dornenhecke? Also bitte, als ob ich Inga Lindström anschauen würde! Nein, ich hab mir ein Taxi bestellt. Und ich muss noch Chips und Cola einpacken … Ach ja, sagen Sie niemandem, dass Sie über alles Bescheid wissen, mit den Schauspielern und so. Tun Sie, als wären das alles normale Taxifahrer. Sie wissen ja:
Der Kofferraum!
Vier Impressionen eines glamourösen Jetset-Lebens: einige unserer reichhaltig und nahrhaft gedeckten Catering-Tische.
Alles Banditen
Von Michael Kobr
Priml. Volker konnte neulich nicht mit zur Lesung nach Köln, weil er krank war. Endlich mal allein auf die Bühne, das hab ich mir dann nicht entgehen lassen …
Und dann dachte ich mir, ich nutze die Zeit im Zug und schreib ein bisschen auf dem Laptop. Einstieg in Memmingen, Fahrtrichtung links. Abteil mit nur vier Sitzplätzen, ganz für mich allein und die nette Frau aus dem Bordbistro hat mir sogar noch einen Kaffee gebracht.
Und dann ging es los. Ich hatte einen regelrechten Lauf, hab genau beschrieben, wie im neuen Buch der Kluftinger zusammen mit Maier und Strobl in Richtung Iller fährt, zu dieser ominösen Werk… da geht die Tür auf. Plochingen. Ich sehe auf, älterer Mann, gut gekleidet, sicher einer, der in der Rente noch als Gutachter tätig ist. Ingenieur für … angewandte Geothermonukleologie.
»So, isset gestattet?«
Ich lächle freundlich und nicke.
»Fahren Sie auch bis Dortmund?«
Ich sage nein, nur bis Köln.
»Na, ist ja auch eine ganz schöne Strecke, die wir zusammen haben. Freut mich. Metzner.«
Wie, Metzner?, denk ich und im selben Moment streckt er mir die Hand entgegen. Ich schüttle sie. Lächle.
»Normalerweise nur mit dem Auto. Isch war dreißig Jahre beim Daimler. Hab ’nen schönen Wagen. Immer Jahreswägen, Solsche …« Metzner sieht eine Weile aus dem Fenster und ruft: »So ’ne C -Klasse, aber Benziner, nä? Früher hab isch immer Diesel gefahren, aber mein Schwiegersohn … Bin ja froh, dass isch noch den Führerschein habe. Bin 83. Sieht man mir nicht an, isch weiß. Vor drei Monaten hab isch in einem Monat sieben Punkte … Rote Ampel, nä? Und einmal voll über die Kreuzung gedonnert. Stoppschild. Aber nix passiert. Und mein Schwiegersohn …«
Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Zugfahrt sinnvoll zu nutzen: Man betrachtet Fotos von sich selbst im Handy …
Klar, der Schwiegersohn. Vielleicht wäre es besser, wenn der in Zukunft die C -Klasse fährt. Ich gebe Herrn Metzner hin und wieder ein bestätigendes »Mhm« zurück, alles andere fände ich irgendwie unfreundlich. Was er sagt, hört sich an wie das Quäken, wenn die Erwachsenen in den Peanuts-Filmchen sprechen. Dann nehme ich demonstrativ mein Laptop und tippe. Versuche, ungeheuer konzentriert zu wirken. Also, Klufti steigt aus und sieht schon den BMW von Willi
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