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Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Titel: Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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    »Is datten Lepptopp?«
    Ich nicke, ohne aufzusehen.
    »Hab isch ja keins, so eins. Aber meine Enkeltochter, wissen Sie? Die hat dat selbe, auch so ein weißes. Sind Sie denn im Außendienst?«
    Ich überlege kurz, ob ich einfach nicken soll, dann aber hab ich das Gefühl, ehrlich sein zu müssen, und sage etwas, was ich bisher noch nie über die Lippen gebracht habe. Ich sage, ich sei Schriftsteller. Glaubt der mir eh nicht!
    »Ach, dat is auch interessant. Isch war ja beim Daimler. Bin Innungsmeister. Wissen Sie, damals, als isch den Bolzen geschossen hab, mit der Ampel, da hat die Handwerkskammer ein gutes Wort eingelegt beim Landratsamt. Mein Schwiegersohn hat gesagt, da schickst du deine Handwerksauszeichnungen hin. Da haben die gesagt, das könnt ihr mit dem Metzner nisch machen. Die haben ’ne Sondersitzung einberufen, damit ich meinen Schein …«
    Sondersitzung, klar. Logo. Ich lächle und senke den Kopf. Mit zusammengezogenen Brauen hacke ich in die Tastatur.
    »Im Zug, sagt mein Schwiegersohn, da lernste nette Leute kennen. Vergeht die Zeit ja auch viel schneller mit jemand Nettem dabei. Na ja. Isch bin Boxer gewesen. In der großen Zeit, damals …«
    Ich sehe auf und klappe meinen Computer zu. Jetzt scheint es interessant zu werden. Jetzt kommen sicher Geschichten von Max Schmeling und der Reeperbahn und von Muhammed Ali und so. Ich setzte mich aufrecht hin, falte meine Hände über den Knien und sehe Herrn Metzner an.
    »Aber dat is ’ne andere Geschichte. Isch les jetzt mal die Zeitung!«
    Ich bin enttäuscht, lasse mir aber nichts anmerken. Herr Metzner kramt eine Bildzeitung aus seiner grauen Rentner-Tuchjacke. Ich bin schon wieder im Schreibfluss. Also, als Kluftinger die Halle betritt, brauchten seine Augen … »Dat geht auch nisch mehr lange gut!« … eine Weile, bis sie sich an das grelle … »Isch sag, dat geht auch nisch mehr lange gut!« … Licht gewöhnt hatten. Dann sah er … »Junger Mann, isch sage, dat mit dem VfB , dat geht nisch mehr lange gut! Mit dem Trainer!«
    Verwundert sehe ich mein Gegenüber an. Er verweist auf einen Artikel in der Bildzeitung. Ausgerechnet Fußball! Ich bestätige weltgewandt und reagiere im Folgenden stets mit Zustimmung, wenn mir Herr Metzner wieder Neues aus seiner Zeitung zitiert. Ich will den alten Herrn nicht kränken, vielleicht hat er außer seinem Schwiegersohn nicht viel Ansprache, weil die Enkeltochter lieber mit ihrem Laptop spielt. Ich tippe leise, allerdings mittlerweile ein Protokoll über das, was er sagt. Als er die Integrationsdebatte anschneidet, stehe ich dann lieber auf. Als ich die Tür aufziehe, fragt Herr Metzner:
    »Klo oder Bistro?«
    Um die Nachfrage »groß oder klein« zu vermeiden, sage ich »Bistro« und wundere mich ein wenig, dass ich ihm nichts mitbringen soll, ich biete es ihm aber auch nicht an. Nach der Zugtoilette gehe ich ins Bordbistro und esse alle Wienerle, die sie vorrätig haben, also ein Paar. Nach knappen anderthalb Stunden ohne weiteren Verzehr komplimentiert mich der Inhaber des Bordcafés hinaus. Reinigung und Schichtwechsel, murmelt er. Mit hängenden Schultern gehe ich zurück ins Metzner’sche Abteil und sehe eine ältere Dame ihm schräg gegenüber. Meinen Sitz ziert eine geblümte Papierserviette mit einigen Apfelschalen darauf. Herr Metzner klopft fröhlich einladend auf den Platz neben sich. Als ich wieder sitze, erklärt er:
    »Junger Mann, die Dame hat auch noch ’ne lange Reise vor sich! Da freu’n wir uns, wie? War das Essen gut?«
    Ich seufze nur leise. Der Dame fällt das Obstmesser hinunter, direkt vor Metzners Füße. Er hebt es galant auf und ich erstarre, als die Frau sich bedankt:
    »Danke, Herr Harzenetter, sehr freundlich!«
    Harzenetter? Ich kneife die Augen zusammen und fixiere den Mann, der mir gegenübersitzt. Ein Lügner also. Von wegen Metzner! Von wegen Daimler!
    Ich packe meine Sachen und gehe. Da steh ich doch lieber auf dem Gang, als mit so jemand im Abteil zu sitzen.
    Das erstaunte »Gehen Sie schon, Herr Schätzing?«, höre ich nur noch mit einem Ohr.

… oder denkt sich …

… neue Geschichten aus.

Alles Banditen II

    Von Volker Klüpfel

    Nicht nur Michael fährt manchmal alleine Zug. Wenn einer von uns beiden einsam und verlassen in diesem Verkehrsmittel sitzt, bin es tatsächlich sogar eher ich. Das liegt daran, dass Michael ein Fahrer ist. Und ich ein Mitfahrer. Es gibt ja diese zwei Grundtypen von Menschen: die einen, die sich gerne chauffieren lassen, und

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