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Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Titel: Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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wurden, wobei weder Backpapier noch Blech je gewechselt wurden. Das waren noch Zeiten – vor der Entdeckung des Acrylamids!
    Jetzt ist alles anders. Jetzt muss man sich zu Hause gesund ernähren, Fett vermeiden, abends keine Kohlenhydrate, selbstverständlich keine Geschmacksverstärker, keine Schokolade vor dem Essen und nachher schon gleich gar nicht, und keine Bröselchips mehr vor der Glotze. Und überhaupt: Der Fernseher muss tagsüber unbedingt aus bleiben, nicht dass die Kinder medial versaut werden. So gesehen denken unsere Kinder wohl, sie wachsen in den Siebzigern auf, denn bei uns geht das Fernsehprogramm erst um zehn vor sieben los – mit dem guten alten Ostsandmann, der auf irgendwelchen Landmaschinen aus der Sowjetunion oder mit den Juwelen des Zschopauer Zweiradbaus durch die Hohe Tatra braust. Aber immerhin waren die sozialistischen Brudervölker schon vor über dreißig Jahren so fortschrittlich, dass in jedem Lebkuchenhaus östlich des Urals ein Fernseher, wahrscheinlich nebst einer Art Videorekorder stand, auf dem der Sandmann seine Powerpointpräsentation vorführen durfte. Aber ich schweife ab.
    Als Mann darf man in unserer Zeit nur seinem Naturell gerecht leben, solange man noch auf dreizehneinhalb Quadratmetern im Studentenheim wohnt. Da konnte man den ganzen Tag Unterschichtenfernsehen schauen, als Kontrast zum intellektuellen Anspruch in der Uni. Konnte eine Fertigpizza nach der anderen vom Discounter holen und das Spezi war kein »zero«, sondern das mit umgerechnet vierzig Zuckerwürfeln drin. Müll wurde nie getrennt, nur das Papier brachte man umweltbewusst weg, der Aschenbecher quoll grundsätzlich über und die Wäsche wusch die Mama. Einzelsocken gab es einfach nicht. Man musste sie auch nicht selbst zusammenlegen. Egal wie viele Hemden man brauchte, am Sonntag lag alles gefaltet auf dem Bett, bereit zum erneuten Einpacken, kurz bevor man mit dem zugesteckten Fuffziger, dem alten, rostigen GTI und einer hellblauen Tupperdose für Montagmittag wieder wegfuhr. Bis Donnerstagabend.
    Als Volker jetzt hin und wieder mal krank und nicht auf den Reisen dabei war, da fing es erst mal ganz langsam an. Auf einmal hatte ich da regelrechte Freiheiten. Denn man muss wissen: Auch wenn wir logischerweise immer in Einzelzimmern, meist sogar auf verschiedenen Stockwerken nächtigen, gibt es so eine Art gegenseitiger sozialer Kontrolle bei uns. Da muss man ja arbeiten und besprechen, schreiben, historische Altstädte anschauen und gesund essen und ab und zu sogar vorlesen.
    Allein hat sich das eigentlich auf zwei dieser Tätigkeiten beschränkt: das Schreiben und das Lesen. Will sagen: Ich muss eigentlich nur für den Auftritt nach draußen. Und zur Nahrungsaufnahme, respektive -beschaffung. Schreiben geht am besten im Hotel, im Bett. Und so wurden meine Nachmittage mehr und mehr zu Klausurtagungen zwischen mir und meinem Computer. Und hin und wieder dem Fernseher. Aber nicht zum Zwecke der Unterhaltung. Nein, zur reinen Tiefenentspannung. Tele-Yoga, quasi. Wer einmal die meditative Kraft eines Homeshopping-Senders erlebt hat, wer sich selbst hat fallenlassen in das Reich der Pfannenwender und Rohrreiniger, der ist für richtiges Yoga oder Tai-Chi ewig verdorben. Wer im Halbreich zwischen Wachen und Schlafen die Stimme eines Christian Rach bis in sein Herz hat sprechen lassen, der weiß mehr, als dass Speisekarten übersichtlich und Küchen penibel sauber geputzt sein müssen, um Erfolg im Leben zu haben. Und der braucht nie mehr zu fürchten, Peter Zwegats Hilfe zu benötigen.
    Ich habe in diversen deutschen Hotelzimmern all diese Meditationstechniken durchprobiert: die Küchensendungen, bei denen sich wild gewordene Köche, die sich allen Ernstes als »Moderator« bezeichnen, Leute schwach anreden und Pizzas bis zur Unkenntlichkeit verbrennen lassen, sich ausziehen und sich ihre Sendezeit sonst wohin tätowieren. Berichte über gestrandete fränkische Familien in »Allmächd, Venezwela, nä?«, die keinen Zahn mehr im Mund haben, weil sie wohl Zahnbürstenphobie haben, Boulevardmagazine mit Bildern von den neuesten Autobahnunfällen mit tödlichem Ausgang und natürlich den Magazinsendungen in den Dritten, bei denen der Gartenexperte mit grüner Schürze und gleichfarbigem Daumen die neuesten Geheimtipps zur Primelzucht preisgibt.
    Kaum zu glauben: Nur wenige Jahre her – da sieht man mal, welchen Verschleiß die gemeinsamen Lesereisen nach sich ziehen.
    Priml. Das passt. Selten war ich so gelassen

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