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Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland

Titel: Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr , Volker Klüpfel
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anders. Aber nun? Die gelbe Farbe ist in europäischem Einheitsweiß ausgeblichen und die Grenzer – nun ja, zwar nicht aus-, aber wahrscheinlich verblichen.
    Also keinerlei Unterschiede mehr? Doch, es gibt sie noch. Saubermach-Betriebe heißen in Wien Putzerei, Zeitschriftenläden Trafik, und einen Latte Macchiato, von deutschen Touristen gerne Maddschiato ausgesprochen, heißt dort Melange, von deutschen Touristen gerne Melanngsch ausgesprochen. Jetzt wird der Wiener vielleicht einwenden: Ha, Melange ist das Original, nicht die Latte, wir hatten die Kaffeehauskultur schon, da sind viele Länder überhaupt noch nicht entdeckt gewesen. Dem halte ich entgegen: Warum gibt es dann erst seit Kurzem Starbucks-Filialen in der österreichischen Hauptstadt, hm? Ja, ja, immer erst mal nachdenken, bevor man gescheit daherredet …
    Wer wissen will, warum das alles so ist, der muss gaaaanz tief in die österreichische Historie eintauchen, sich intensiv mit dem kulturphilosophischen Erbe der Nation beschäftigen. Das wäre jetzt ein bisschen viel verlangt von Normalmenschen wie … Ihnen zum Beispiel, lieber Leser. Ich hingegen habe das getan und werde es Ihnen in Kurzform erläutern, ganz verständlich, ohne viel wissenschaftliches Brimborium.
    Also: Österreich war einst eine große, bedeutende Nation, auch wenn das heute kaum mehr vorstellbar erscheint. Deswegen gibt es in Wien diese tollen großen Bauwerke. Die sind nämlich nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, auf Wunsch japanischer Touristen errichtet worden. Diese bedeutende Nation hatte zum Beispiel eine Sisi. Weil die Sisi aber Romy Schneider hieß und keine Österreicherin war, sondern Deutsch-Französin, da haben die Österreicher gedacht: Blöd jetzt, da müssen wir was erfinden, was genauso gut ist wie die Sisi. Das waren dann Fiaker, die Sachertorte und »Am dam des«. Und statt der Weltherrschaft erfand man die ganzen Kaffeesorten wie Einspänner, Verlängerter und Großer Brauner. Das ist, ein bisschen verkürzt, die sozialpsychologische Begründung für das, was sich heute Österreich nennt.
    Verweilen wir kurz bei »Am dam des« – und für die, die’s nicht wissen (also alle Norddeutschen): Es geht ums Fernsehen. Die Einladungen ins Nachbarland freuen uns immer ganz besonders, denn im Herzen sind wir auch ein bisschen Österreicher. Jedenfalls haben wir einen guten Teil unserer Kindheit dort verbracht. Also, nicht richtig im Land, sondern im ORF . So heißt da das Fernsehen. Und das war mehr als einmal die Rettung verregneter Pfingstferientage meiner Kindheit. Aller Kindheiten meiner Generation.
    Dort gab es um 10:30 Uhr immer ganz tolle Filme zu sehen. Um etwas Vergleichbares im deutschen Fernsehen anzuschauen, musste man schon warten, bis die Eltern zum Kegelausflug außer Haus waren und den Sprössling lesend im Bett wähnten. Dann hatte man den Fernseher für sich, was man dann aber wiederum dazu nutzte, ORF zu gucken, denn da konnte man damals so viele nackte Brüste wie sonst nirgends sehen.
    Nachmittags gab es dann »Am dam des«, das mit diesem kryptischen Reim (disse malle press, disse malle pumperness) begann, den man als Kind nie verstanden, aber eben auch nie hinterfragt hat, und das nichts anderes war als verfilmter Kindergarten in einem Studio, das wie eine Mischung aus »Raumschiff Enterprise«, »Dalli-Dalli« und dem »Ikea-Kinderparadies« wirkte.
    In Wikipedia, dieser Kindheitswunder-Entzauberungsmaschine habe ich mal gelesen, dass es sich bei dem Lied um einen tschechischen Abzählreim handelt, was ich aber gleich wieder verdrängt habe. Es soll ein Mysterium bleiben wie Petzi, der kleine braune Handpuppenbär, der sich im »Betthupferl« (auch so eine wunderbare Österreich-Erfindung, die heute in den kleinen Schokoladentäfelchen ihre Fortsetzung findet, die abends wie von Feenhand hingetupft auf den Hotelbett-Kissen liegen) immer unerträglich altklug und besserwisserisch durch seine Pappkulissenwelt plapperte.
    Gibt es diese Sendungen noch? Wohl kaum, wenn überhaupt, dann computeranimiert und unter Titeln wie »Am dam des«, »Motherfucker« und »Petzi reloaded«.
    Aber Österreich gibt es noch, und das ist gut so. Unsere erste Begegnung mit den Eingeborenen damals in Wien, von denen es zwischen den ganzen Japanern auch nicht mehr sooo viele gibt, hatten wir in einem Aufzug hinunter zur U -Bahn. Dort meinten ein paar wegen unseres Dialekts, wir seien aus Vorarlberg. Man ist ja immer ein bisschen stolz darauf, wenn man im

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