Zwei Esel Auf Sardinien
ja zwischen meinen Zähnen noch so ein Fischei, ganz zu schweigen von einem der toten Würmer, der sich an mein Zahnfleisch geklammert haben könnte. Nächtliche Geräusche sind furchteinflößend, und in diesem Moment bin ich dankbar, dass Bruno, obwohl nicht einsatzfähig, so doch neben mir liegt.
Bei Tagesanbruch werde ich ihn unsanft wecken und einen gebührenden Zirkus machen, nehme ich mir vor. Er wird Claudio veranlassen, uns zu seinem Bruder oder sonst wohin zu bringen. Ich will hier weder frühstücken noch länger Annas und Claudios Gastfreundschaft genießen. Davon habe ich genug.
Die Wärme und der Herzschlag eines Menschen, der einem nahe ist, können unendlich wohltun, und so einsam ich mich auch in dieser Situation fühle, lullt mich das rhythmische Tumtum, Tumtum unter seiner Brust ein. Ich lege meine Hand darauf und stelle mir vor, dieses kleine Herz mit meinen Fingern zu umfassen. Ich halte es umschlossen, so ist es sicher, muss sich nie mehr fürchten oder aufgeregt sein. Ich brauche dieses Lebenszeichen wie ein neugeborenes Tier die Mutterwärme. So schlafe ich endlich ein.
Fil’e ferru
Bruno
Claudio und ich bleiben allein. Er hat eine ziemliche Fahne, aber ehrlich gesagt fühle ich mich inzwischen auch schon etwas betrunken. Gerade eben hat mir Claudio ein erstes Gläschen fil’e ferru eingegossen …
»Vor vielen Jahren«, erzählt er, »als jeder Schafstall bereits ein Haus war und jede noch so kleine Ansammlung von Häusern schon ein Dorf, hatten alle eine Küche mit einer Feuerstelle wie dieser hier in der Mitte, um sich daran zu wärmen und zu kochen – damals gab es noch kein ›Barbecue‹ … Abends, wenn es dunkel wurde, nach einem langen Arbeitstag auf den Feldern, setzte sich auch meine Familie um das Feuer, und gleich nach dem Abendessen erzählte mein Vater sogenannte Kamingeschichten, contos de foghile . Papa erzählte uns diese kleinen Geschichten, um mich und meinen Bruder wach zu halten und um uns seine Lebensweisheiten zu vermitteln. Überwiegend handelten die Geschichten von schlauen Kerlen und Dummköpfen, unwichtigen Begebenheiten, seltsamen Ereignissen aus dem Dorf, aber es waren auch Geschichten zum Lachen.«
Ich höre ihm leidenschaftlich gern zu. Claudios Stimme, die selbst in seinem angeschlagenen Zustand eine besondere Stimmung erzeugt, weckt Gefühle in mir. War ich vorhin erschrocken, bin ich jetzt entspannt. Diese Farben, die Nuancen, die Pausen zwischen den einzelnen Worten versetzen mich in einen Zustand ungewöhnlicher Leichtigkeit und wachsender Euphorie.
Das letzte Mal war ich vor ungefähr zweiunddreißig Jahren so richtig betrunken. Das war am Meer, nach dem Abitur, und ich fühlte mich großartig: voller Selbstvertrauen, mutig, stolz, aber nicht müde.
Bekanntermaßen ist Absinth die stärkste Spirituose, die mit einem Alkoholgehalt von bis zu 90 Prozent erhältlich war, gefolgt von Centerbe, dem Kräuterlikör aus den Abruzzen, der es auf 70 Prozent bringt. Doch fil’e ferru ist mit seinen 40 Prozent auch recht stark. Das ist der sardische Grappa par excellence, dessen Name wörtlich übersetzt »Eisendraht« bedeutet. Der Name ist vor einigen Jahrhunderten entstanden und leitet sich von der Methode ab, mit der man während des Krieges die Destillierkolben für illegal gebrannten Schnaps versteckt hat. Die Flaschen wurden vergraben, und damit man später das Versteck wiederfand, steckte man einen Eisendraht in den Boden.
»Wenn du ein echter Hirte bist, musst du dich einmal im Monat besaufen«, sagt Claudio und gießt mir das inzwischen dritte Gläschen ein. Der Abend ist wirklich schön, am Himmel scheint still der fast volle Mond. Noch ist die Lage unter Kontrolle. Claudio steht vom Tisch auf, hält ein Stöckchen in die Glut und zündet damit seine Zigarette an. Einen Augenblick lang kann ich in der Nacht, die nur vom Mondschein und einer schwachen Neonröhre erhellt wird, seinen sympathisch wirkenden symmetrischen Schnurrbart erkennen, die runzelige Stirn und eine kleine Narbe an der Schläfe. Die Grillen zirpen ihre eintönigen Lieder – und wir haben Oktober! Nachtfalter und Mücken kreisen wie trunken um die einzige Lichtquelle hier, während ihre Schatten auf der Mauer sie verfolgen. Auf dem Grill knistert und knackt ein Feuer. Ein Geruch nach Pinienharz umgibt uns: Bevor sie gegangen ist, hat Anna Kartoffelscheiben mit Olivenöl und Oregano auf die Glut gelegt. Was will man mehr? Einige Minuten vergehen. Claudio setzt sich wieder
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