Zwei Esel Auf Sardinien
einem Tierarzt auf Sardinien zusammenflicken zu lassen! Ferru und ich, wir drehen um!«
»Die armen Kerle sind hungrig, wir könnten ihnen ein bisschen von der Salami geben, die Anna uns mitgegeben hat.«
» Sei matta? – Spinnst du?«
Ich bemühe mich, ihr begreiflich zu machen, dass man Wildschweine besser nicht füttern sollte, nicht nur, weil ich mir vor Angst beinahe in die Hose mache, sondern auch, weil ich glaube, dass wir sie aus ihrem natürlichen Gleichgewicht bringen, wenn wir ihnen zu nahe kommen, und auch die Esel nervös werden könnten.
In Wirklichkeit wirken die beiden überhaupt nicht erschrocken, sie treiben uns sogar vorwärts. Bis sich ein fetter schwarzer Kerl mit seiner Kehrseite vor uns aufbaut …
»Liebste, hör auf mich, lass uns besser umkehren. Denn es gibt nichts Schlimmeres, als einem Wildschwein Auge in Auge gegenüberzustehen …«
»Psst. Sei still!!!«
Ich halte meine Angst für durchaus angebracht. Wenn es nach Jutta ginge, müsste ich mich jetzt hinstellen und einen dicken, hungrigen Riesenkeiler mit den Fingern füttern. Nein, vielen Dank.
Das Riesenschwein dreht sich um, es wird so drei bis vier Zentner wiegen. Als es uns bemerkt, läuft es weg, und die anderen folgen ihm, unter ihnen ein kleines, das höchstens drei bis vier Monate alt ist.
Wir laufen inzwischen neben unseren Eseln her. Ab und zu bleiben die beiden stehen und nehmen Witterung auf, als könnten sie die Anwesenheit anderer Wildschweine riechen. Jetzt bewegen wir uns durch dichtes Unterholz. Auf einmal kommen uns Zweifel, ob wir wieder irgendwo falsch abgebogen sind, obwohl wir uns nie vom Hauptweg entfernt haben. Wir sind seit über zwei Stunden niemandem mehr begegnet, nach dem Weg fragen können wir also nicht. Wobei mich eines wirklich fasziniert: Jedes Mal, wenn wir um eine Auskunft gebeten haben, hat man uns mit Sprichwörtern und Redensarten geantwortet. Ich habe bemerkt, dass die Menschen auf Sardinien, die ausschließlich ihre Sprache, ihren Dialekt kennen, oft auf Redensarten und Sprichwörter zurückgreifen, wenn sie mit einem »Fremden« sprechen. Vielleicht glauben sie ja, dass sie so leichter verständlich sind. Jeder weiß ja, dass sich Sitten und Gebräuche eines Volkes in seinen Sprichwörtern niederschlagen. Es mag an ihrem gefälligen Klang, den Reimen oder der prägnanten Kürze liegen, auf jeden Fall haben sich mir einige von ihnen eingeprägt. Gestern Abend zum Beispiel, als Claudio und ich uns betrunken haben, bevor er mir den Handel mit den Eseln vorgeschlagen hat, habe ich so viele Redensarten vorgesetzt bekommen, dass ich allein darüber ein ganzes Buch schreiben könnte. Sarden sind ironische, scharfzüngige Menschen, ihre Direktheit kann manchmal ätzend und leicht grausam sein. Claudio zum Beispiel sagt einem die Wahrheit klar und hart ins Gesicht, aber er filtert sie immer durch seine kluge Ironie. Schon vormittags auf dem Flughafen, als er mich so allein und verzweifelt unter all den Leuten stehen sah, hat er als Erstes zu mir gesagt: » A paracqua apertha e culu triccia triccia «, womit er mir zu verstehen geben wollte: »Du bist so durcheinander, dass du selbst mit einem Regenschirm in der Hand nass würdest.«
Jutta ist fort. Griesgrämig hat sie die beiden Esel stehenlassen und mir gesagt, sie wolle mich jetzt mal die nächsten zehn Minuten nicht sehen. Ich verstehe sie. Bei diesem Urlaub ist so ziemlich alles schiefgegangen, was schiefgehen konnte …
Da fällt mir der kleine Zettel ein, den Anna mir von Claudio vor unserer Abreise gegeben hat. Ich hole ihn aus der Tasche. Doch es handelt sich nicht etwa um eine wortreiche Entschuldigung, weil er sich nicht von uns verabschiedet hat, sondern es ist mehr.
»Lieber Bruno,
this is my way. Bevor ich Ziegenhirt geworden bin, habe ich als Schuhputzer gearbeitet und an der Haustür Mittel gegen Durchfall verkauft. Wenn ich weiter Hirte bleiben will, muss ich heute zum Flughafen zurück, um dort meiner Stimme Gehör zu verschaffen. Nehmt mir das nicht übel. Grüß die schöne Jutta von mir, und wenn du in romantischer Stimmung bist, widme ihr diese Serenade, die einer unserer Dichter für seine Frau geschrieben hat und für alle Frauen auf dieser Welt.
Es hat mich sehr gefreut, dass wir uns kennengelernt haben. Viel Glück mit Fil’e und Ferru. Und bitte: Confida in totus et fidadi de pagus – was so viel heißt wie ›Vertraue auf alles, aber traue nur wenigen‹.«
Ich bin gerührt. Der Zettel fällt mir
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