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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Behandlungen zu unterziehen. Späte Mädchen in der Hoffnung auf einen den Wellen entsteigenden Mann; Patres auf Ferienurlaub; Mönche, die zur Missionsarbeit in den Urwald geschickt wurden; Literaten des Bundesdistriktes mit Sonetten und Vorträgen im Koffer; Beamte der brasilianischen Staatsbank, die in den Norden versetzt worden waren und neugierig der Stätte ihrer neuen Tätigkeit entgegenfuhren. Berufsspieler, die von einem Schiff auf das andere umstiegen, von einem ITA auf einen ARA , von einem ARA auf einen Dampfer des brasilianischen Lloyd, auf denen sie den Fazendeiros von Kakao, Baumwolle oder Babaçu, den Viehzüchtern und Zuckermühlenbesitzern auf der Heimfahrt von ihrem ersten unvergesslichen Besuch des Zuckerhuts ihr letztes Geld im Poker abnahmen. Handlungsreisende großer Firmen mit ihrem Repertoire an Anekdoten. Und schließlich die stimulierende Gegenwart der käuflichen Schönen, die, meist zweiter Klasse reisend und gleichfalls nach den Fazendeiros und Kaufleuten schielend, im Morgengrauen auf dem Promenade- und Sportdeck erschienen.
    Es war einer jener ITAS , auf denen Politiker und Staatsbeamte, auch Dichter und Romanschriftsteller des Nordens und Nordostens gen Süden reisten, jene mittellosen »Flachschädel«, die das Leben furchtlos und unbezähmbar anpackten; Männer, die Lebendigkeit, Einbildungs- und Willenskraft besaßen, begabt fürs Improvisieren und Schaffen, geboren in dürren, von der Trockenheit heimgesuchten Landstrichen oder an den Ufern riesiger, von gewaltigen Überschwemmungen bedrohter Flüsse: die Bahianer, die Pernambucaner und Cearenser, die Alagoenser, Maranhenser, die Sergipaner, Piauíenser, die Kürbisschädel von Rio Grande do Norte. Mithin Menschen, die Volksmusik wurden in der Stimme jenes Dichters, der den Zauber Bahias und damit aller ITA -Dampfer besang:
    Ich nahm einen ITA im Norden
    Und fuhr nach Rio, blieb da,
    Lebwohl meine Mutter, mein Vater,
    Lebwohl Belém do Pará.
    Die jetzt unter dem Kommando und Schutz Vascos heimfuhren, waren die gleichen Menschen, die vor vielen Jahren auf einem anderen ITA südwärts gereist waren, auf der Suche nach Vermögen, nach Erfolg, nach Macht oder auch nur nach einem bescheidenen Lebensunterhalt.
    Unter ihnen bewegte sich in seiner schneeweißen Uniform der Kapitän Vasco Moscoso de Aragão. Er war schon auf der Brücke gewesen, wo der Erste Offizier ihm gemeldet hatte, dass alles in Ordnung und nichts Neues zu vermelden sei, dass die Reise normal verlief, dass man am nächsten Morgen in Recife einlaufen und mit seiner Zustimmung um siebzehn Uhr ablegen werde.
    »Ich habe bereits gesagt, dass ich keinerlei Änderungen vornehmen und mich in nichts mischen möchte, da ja alles wie am Schnürchen läuft. Ich will jetzt mal eine kleine Runde drehen.«
    »Ausgezeichnet, Herr Kapitän. Ihre Anwesenheit wird die Fahrgäste erfreuen, sie lieben es, mit dem Kapitän zu plaudern und ihn über die Reise auszuquetschen.«
    Nun teilte er ein liebenswürdiges »Guten Morgen« und Lächeln nach allen Seiten aus. Er streichelte den Kopf eines auf Deck umhertollenden Kindes. Er hatte sich bereits eine Pfeife angesteckt, und wenn das Meer so ruhig blieb, würde diese Reise die Erfüllung seines Lebens sein. Mehrere Fahrgäste ruhten in Liegestühlen. Junge Männer und Mädchen spielten fröhlich lärmend Decktennis, Pingpong und Minigolf.
    Drinnen im Salon wurde es an einigen Poker-Tischen lebendig. Der Kommandant ließ einen Blick über die Stühle gleiten, entdeckte aber nur ein bekanntes Gesicht: den Senator. Er ging auf ihn zu.
    »Oh! Guten Morgen, Herr Kapitän. Nun, wie geht die Reise? Wissen Sie schon, wann wir in Recife ankommen?«
    »Wir werden morgen früh anlegen, so Gott will. Und gegen fünf Uhr nachmittags auslaufen.«
    »Genug Zeit, um mit dem Gouverneur zu frühstücken und die politischen Fragen mit ihm zu besprechen. Er hört auf mich, übrigens hören alle Staatschefs des Nordostens auf meine Meinung und bitten mich um Rat. Sie wissen eben, wie sehr Dr. Washington mich achtet.«
    »Es ist für mich eine Ehre, Herr Senator, Sie bei uns an Bord zu haben.« Der Kommandant ließ sich in einen leeren Stuhl neben dem Parlamentarier sinken. »Eine Ehre und ein Vergnügen.«
    »Vielen Dank. In Recife steigt übrigens Othon aus …«
    »Wer?«
    »Der Abgeordnete, der zu Ihrer Linken saß. Ein nicht unbegabter junger Mann, aber völlig verdreht, seitdem er sich mit der Liberalen Allianz eingelassen hat. Er und andere haben

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