Zwei Geschichten von der See
viele Länder, Herr Kommandant?«
»So ziemlich die ganze Welt, ich bin unter verschiedenen Flaggen gefahren.«
»Ein verlockender, wenn auch etwas eintöniger Beruf, nicht wahr? Tage und Wochen auf See, zumal bei langen Reisen …«, meinte der Senator.
»Aber von Zeit zu Zeit schnappt man sich doch ein Püppchen, was, Herr Kapitän?«
Nun ging der Abgeordnete zu den Frauen über.
Das Brathuhn sah verlockend aus, Vasco hatte außer Brot praktisch noch keinen Bissen zu sich genommen. Schwierig war nur, das Huhn bei dem Geschaukel zu zerlegen. Es in die Hand zu nehmen wäre unschicklich gewesen.
»Ein Kapitän ist an Bord ein Einsiedler.«
»Na, hören Sie, Herr Kommandant, kommen Sie mir doch nicht damit …«
»Dafür hält man sich dann an Land schadlos …«
»Von allen Ländern, die Sie bereist haben – wo waren die Frauen am heißblütigsten, am willigsten?«
Der Augenblick für dieses Gespräch war ungeeignet, das Huhn drohte vom Teller zu hüpfen, es erforderte volle Aufmerksamkeit und Vorsicht. Vasco wich aus:
»Schwer zu sagen. Das hängt davon ab, wie …«
»Schön, aber wer weiß nicht, dass die Engländerinnen kalt, die Französinnen nur aufs Geld aus sind und die Spanierinnen Funken sprühen? Das weiß sogar ich, der nie aus Brasilien herausgekommen ist …«
»Natürlich gibt es Unterschiede. Nach meiner Auffassung sind die heißesten …« Er machte eine Pause, senkte die Stimme, Senator und Abgeordnete beugten sich vor, um die Offenbarung besser hören zu können – »die besten von allen sind die Araberinnen.«
»Heiß?«, raunte der Senator.
»Wie Feuer!«
»Als ich ein junger Dachs war, gab es in Campina Grande in einem Bordell eine Türkin. Ein Mordsstück. Aber sie nahm’s von den Lebenden. Da kam ein Junger überhaupt nicht mit, nur die reichen Fazendeiros konnten sich die leisten«, erinnerte sich der Deputierte.
Der Fruchtsalat mit seiner Zuckersauce hätte fast das Verhängnis ausgelöst. Kaum hatte der Kapitän den ersten und letzten Bissen verschluckt, als er alle Kraft zusammennehmen musste, um sich nicht zu übergeben. Aufruhr entstand in seinen Eingeweiden, plötzlich brodelte Überdruss, Lebensekel in ihm. Gottlob war die liebenswürdige
Balzaquiana,
die attraktive Vierzigerin, nicht zum Abendessen erschienen. Er hätte kein Wort mit ihr wechseln können, er hatte zu nichts Lust, er wünschte nur eines: das Ende der Mahlzeit.
»Sie haben ja gar nichts gegessen, Herr Kommandant.« Der Deputierte schlang seelenruhig weiter.
»Ich fühle mich nicht wohl, ich habe mir mit ein paar unreifen Mangofrüchten den Magen verkorkst. Drum muss ich vorsichtig sein.«
»Stellen Sie sich vor: Ich dachte, Sie seien seekrank. Ein seekranker Schiffskapitän, das wäre ein Witz, wie!«
Die drei lachten über die unmögliche, urkomische Idee. Vasco beschloss, sich den Mokka zu versagen. Er beherrschte sich, wartete ein Weilchen, bis alle ausgetrunken hatten, dann hob er die Tafel auf. Der Deputierte versuchte ihn auf dem Promenadendeck zurückzuhalten:
»Wenn Sie einen dieser Revolutionäre in Ihrer Kabine entdecken würden, Herr Kapitän, was würden Sie tun? Würden Sie ihn der Polizei ausliefern oder den Mund halten?«
Was er tun würde? Wie sollte er wissen, wie er sich in einem derartigen Fall zu verhalten hätte? Seit dem Regierungsende José Marcelinos und der Ermordung von D. Carlos I. von Portugal und Algarve mischte er sich nicht mehr in die Politik. Er wollte nichts von Revolutionären und Revolutionen wissen, nichts würde ihn jetzt daran hindern, schleunigst seine Kajüte aufzusuchen. Nicht einmal das strahlende Geschöpf mit dem Hündchen, wenn es ihm jetzt begegnete. Er wollte allein sein und sich der Länge nach ausstrecken.
»Verzeihung, Herr Doktor. Ich muss auf meinen Posten auf der Brücke. Ich muss sehen, wie die Reise geht.«
»Dann gehen Sie und kommen Sie wieder, wir wollen uns noch ein wenig unterhalten. Ich warte im Lesezimmer auf Sie.«
Vasco stürzte die Leiter hinauf, der Regen peitschte das Offiziersdeck. Eine Gestalt kam ihm unterwegs entgegen.
»Guten Abend, Herr Kapitän.«
Es war der Schiffsarzt, eine Bahianer Zigarre rauchend:
»Gehen Sie auf die Brücke, um ihr Pfeifchen zu schmauchen? Wollen Sie nicht zur Abwechslung lieber eine Zigarre rauchen?«
Damit zog er eine aus seinem schwarzen, übelriechenden Rock hervor.
»Vielen Dank, ich rauche nur Pfeife …«
»Sind Sie in Bahia geboren?«
»Ja, das bin ich …«
»Und
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