Zwei Geschichten von der See
Paraíba in dieses Schlamassel gerissen – stellen Sie sich vor, einen Zwergstaat, der in jeder Kleinigkeit vom Präsidenten der Republik abhängt. Und da Othon weiß, dass die Wahl verloren ist, erfindet er Anschläge und Revolutionen am laufenden Band.«
»Ich gestehe, dass mich seine Idee, Verschwörer an Bord finden zu wollen, etwas beängstigt hat …«
»Er ist ein junger Mensch, der sich seine Zukunft völlig verbaut. Außerdem säuft er und kann keine Schürze in Ruhe lassen. Schon seit dem frühen Morgen scharwenzelt er mit den Schauspielerinnen herum …«
»Mit was für Schauspielerinnen denn?«
»Die in Rio eingestiegen sind. Eine lausige Kompanie, die in Recife auftreten soll. Ein kleines Ensemble, vier Frauen und vier Männer. Die Frauen waren gestern Abend nicht beim Essen. Daher haben Sie sie nicht bemerkt.« Jetzt deutete er mit dem Mund: »Dort sind sie mit Othon. Sagen Sie selbst: Darf sich ein Bundestagsabgeordneter so aufführen und sich mit Theaterpack abgeben? Und dazu noch in aller Öffentlichkeit?«
Der Kommandant blickte hinüber: drei junge Mädchen, zwei davon in langen Hosen, eine fast skandalöse Herausforderung in jenen Tagen, die dritte in einem hauchdünnen duftigen Kleid, umstanden lachend den Deputierten.
»Und die vierte?«
»Ist ein spätes Semester, die die Zofe spielt … Die wird wohl irgendwo herumsitzen und häkeln … Sie tut nichts anderes.«
Mittlerweile hatte Dr. Othon die beiden bemerkt. Der Abgeordnete winkte und kam, von den Künstlerinnen begleitet, näher.
»Sie müssen unseren neuen Kapitän kennenlernen.«
Der Senator grüßte mit dem Kopf, ohne aufzustehen. Er schätzte es nicht, in scherzender Unterhaltung mit Theatervolk gesehen zu werden. Vasco stand auf und verbeugte sich, als er den Mädchen die Hand gab.
»Welches Vergnügen, Herr Kapitän …«, lächelte die vollbusige Dunkle, die neben Othon stand.
»Sagen Sie mir bitte eines, Herr Kommandant: wird dieses Biest noch mal so schaukeln wie gestern? Nie ist mir so hundeelend gewesen. Das ist nämlich meine erste Seereise …«, sagte eine schlanke Blondine mit großen Augen.
»Ich garantiere Ihnen schönes Wetter für den Rest der Reise. Ich habe eigens für Sie ein Meer von Rosen bestellt.«
Der Kommandant hatte nicht umsonst an den Bällen des Regierungspalastes und der Pension Monte Carlo teilgenommen, hatte nicht vergeblich große Passagierdampfer auf allen Meeren und Fahrgäste aus Neapel und Genua in den Fernen Osten geführt. Somit wusste er, wie man mit schönen reizenden Damen umgeht.
»Sie sind sehr liebenswürdig, Herr Kapitän«, sagte die dritte mit einem Haarknoten und Grübchen in den Wangen.
»Othon … Herr Dr. Othon hat uns erzählt, dass Sie die ganze Welt kennen. Dass Sie sogar hohe Orden haben, stimmt das?«
»Ich bin viel herumgekommen, das stimmt schon. Vierzig Jahre ist eine lange Zeit.«
»Waren Sie auch in Holland?«, wollte die mit den Grübchen namens Regina wissen.
»Ja, gnädige Frau …«
»Haben Sie dort zufällig eine Familie van Fries gekannt? Sie wohnt … einen Augenblick, es fällt mir gleich wieder ein … In Sasvangent oder so ähnlich.«
»Van Fries? So auf Anhieb kann ich mich nicht erinnern … Ich habe dort hauptsächlich mit Reedern und Seeleuten zu tun gehabt. Waren Ihre Freunde irgendwie mit der See verbunden?«
»Ich glaube nicht … Theun hat mir gesagt, dass sie Tulpen pflanzen …«
»Und wer war dieser Theun, der Tulpenpflanzer?«, wollte der Deputierte wissen, dessen Hand leicht auf dem Arm der Dunklen lag.
»Eine große Leidenschaft von ihr …«, erklärte die Schlanke.
Die vollbusige Dunkle warf Othon einen schmachtenden Blick zu:
»Erst verliebt man sich, und hinterher muss man leiden …«
Der Senator stand auf; da das Deck sich zu füllen begann, wünschte er nicht bei dieser unpassenden Unterhaltung gesehen zu werden.
Regina bekannte:
»Er war der hübscheste Mensch, der mir in meinem Leben begegnet ist. Er hat mir völlig den Kopf verdreht … Er hatte etwas von Ihnen, Herr Kapitän, nur dass er etwas größer war als Sie …«
»Sehen Sie, Herr Kapitän«, lachte der Abgeordnete. »Sie machen bereits eine Eroberung …«
»… und natürlich jünger …«
»Was kann ein alter Mann wie ich schon erwarten …?«
»Aber wieso denn, Herr Kapitän, ich wollte Sie nicht verletzen. Sie sind doch nicht alt! Im Gegenteil, Sie sind rüstig und sehen gut aus.«
»Der Herr Kapitän wird noch mancher
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