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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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würde beginnen. Er rief den Kindern, »den Engelchen« zu, sie sollten jetzt mal ein bisschen still sein. Dann begann er die Nummern auszurufen. Die Flasche Kölnischwasser fiel an einen ziegenbärtigen Fazendeiro in einem groben Leinenanzug, der unter Beifallsklatschen erklärte:
    »Ich werde sie der Frau nach Crato mitbringen …«
    Der silberne Schlüsselring ging an ein dreizehnjähriges Mädchen, nach einem Entscheidungsspiel zwischen ihr und zwei weiteren Mitspielern, die zur gleichen Zeit ihr Bingo beendet hatten. Der Aschenbecher wurde von der Schauspielerin mit dem dunklen Haar gewonnen, die ihn dem Deputierten vor den kritischen Augen einiger Familien und des Senators überreichte. Dann folgte der aufregende Augenblick des »kleinen« Spiels, bei dem der Erste, der seine Karte ausfüllte, das Liebespärchen aus Biskuitporzellan mitnahm, »jenes Juwel, jene Vollkommenheit, jenes Kunstwerk, jenes Nec-Plus-Ultra«, wie der Zahlmeister sich ausdrückte. Stillschweigen trat ein, als die Nummern ausgelost wurden.
    Clotilde, deren Seufzer bei jedem verlorenen Preis den Kommandanten niederdrückten, geriet in höchste Nervosität und verhedderte sich mit ihrer Karte, was Vasco ermöglichte, jeden Augenblick ihren Arm zu berühren und sie auf eine bereits aufgerufene Nummer aufmerksam zu machen, die sie einzuzeichnen vergessen hatte. Plötzlich meinte sie:
    »Es fehlt mir nur noch ein Feld …«
    Aber gleich darauf rief ein Mann, der in der Nähe des Klaviers saß: »Fertig!«
    Es war ein Pseudo-Elegant und wilder Sprücheklopfer, der sich als Industrieller in Ferien ausgab und die Reise unternommen hatte, um die Hauptstädte und Landschaften des Nordens kennenzulernen; ein alter Traum, der jetzt für ihn Wirklichkeit wurde – wie er sagte. Indessen schienen ihn die See und die Küstenlandschaft nicht im Geringsten zu interessieren, denn er verbrachte Tag und Nacht am Pokertisch und zog den Fazendeiros und Kaufleuten das Geld aus der Tasche. Noch am gleichen Nachmittag hatte der Kommandant ein paar Minuten an seinem Tisch gekiebitzt und die Nervosität des anderen festgestellt, als brächte seine, Vascos, Nähe ihm Unglück und verringerte seine Gewinnchancen. Und in der Tat: Der vermutliche Vergnügungsreisende begann zu verlieren, so dass der Kommandant, ein alter Kenner des Pokerspiels und der Marotten der einzelnen Spieler, vorzog, sich unauffällig zurückzuziehen.
    Clotilde war betrübt, sie war den Tränen nahe:
    »Nur wegen einer Nummer … Und ich hätte doch so gerne dieses Andenken mitgenommen …«
    Vasco tröstete sie: Wenn sie die Figur unbedingt haben wollte, würde sie sie auch bekommen, sie solle deshalb nicht traurig sein.
    »Aber wie denn, wenn der Herr dort drüben gewonnen hat … was für ein unsympathischer Kerl …« Sie stampfte mit ihren hohen Hacken auf den Fußboden und rollte die Augen.
    Vasco hatte eine Idee, wollte sie jedoch nicht verraten. Der Zahlmeister begann, die Nummern für den letzten Preis, für die Überraschung auszurufen. Er fiel an ein neugebackenes Ehefrauchen, das wie eine Klette an ihrem Mann hing; die beiden küssten und knutschten sich alle Augenblicke in allen Ecken des Schiffes, flöteten einander Zärtlichkeiten zu wie »mein Häschen«, »mein Kokostierchen«, »mein angebetetes Poppelchen«, was unablässigen Anlass zu Gelächter und Spötteleien gab. Man umdrängte die junge Frau und ihren Mann, um ihnen beim Öffnen des Paketes zuzusehen, dem sie einen Kasten und diesem ein neues Paket, diesem Paketchen wiederum einen neuen Kasten, dem Kasten ein anderes Paket, dem Paket ein weiteres Kästchen und noch ein Paket und noch ein Kästchen entnahmen, bis zu guter Letzt ein winziges Päckchen zum Vorschein kam, aus dem sie einen Schnuller wickelten. Es gab eine Ovation, es gab Lachsalven und Witzeleien, die Gewinnerin lächelte befangen, ihr Mann geriet aus dem Konzept. Dr. Othon meinte:
    »Das Glück hat gut gewählt …«
    Und die dunkle Vollbusige setzte leise hinzu:
    »So wie die beiden es treiben, wird es mindestens Zwillinge geben …«
    Während des ganzen Spielverlaufs nährte der Kommandant die Hoffnung, mit Clotilde auf Deck zurückkehren, ihren Rundgang und ihre Plauderei fortsetzen zu können, er fühlte sich romantisch bewegt und aufgewühlt. Schon wollte er vorschlagen, unter dem Vorwand der Hitze gemeinsam den Spielsaal zu verlassen und die Brise und den sternklaren Himmel auszunutzen, als eine Gruppe junger Mädchen und Männer auf den

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