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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Verfügung stehen und ihr Brücken und Strand, Baumalleen und Parks zeigen.
    »Allerdings kenne ich Recife nicht.«
    »Was, Sie kennen Recife nicht? Als Kapitän müssen Sie doch Dutzende Male durch Recife gekommen sein.«
    »Sehr richtig. Durchgekommen … Aber immer viel zu kurz, um es so kennenzulernen, dass ich den Fremdenführer spielen könnte. Wenn ich sage, dass ich Recife nicht kenne, so will ich damit sagen, dass ich es nur oberflächlich kenne. Es sind mehrere Jahre her, seit ich dort gewesen bin. Seither hat sich viel verändert.«
    »Nach dem, was Sie sagen, habe ich den Eindruck, dass Sie mich nicht begleiten wollen. Vielleicht haben Sie einen Schatz in Recife und wollen nicht mit mir gesehen werden.« Dabei lachte sie wieder kurz und hektisch.
    Der Kommandant blieb stehen und nahm ihren Arm:
    »Bitte, sagen Sie so etwas nicht. Diese Zeit ist längst vorbei, seit ich in den Ruhestand getreten bin. Ich habe sogar gedacht, ich würde danach nie wieder eine Frau ansehen, nun aber …«
    »Was?«
    Ein Passagier postierte sich vor sie und verkündete:
    »Das Bingospiel beginnt. Wir erwarten den Herrn Kapitän.«
    Die Dame seufzte, Vascos Hand drückte leicht ihren Arm, dann gingen sie in den Salon. Sie ging, die Augen auf die gestirnte Nacht und das grüne Wasser geheftet, die überflüssige Stola schwingend. Er hörte wohl die Worte des aufdringlichen Fahrgastes, aber ohne ihren Sinn zu begreifen, so betört war er von dem Duft, der ihr entströmte; er spürte mit seinen Fingerspitzen ihren zitternden Körper. Kurz bevor sie den Salon betraten, hielt er sie eine Sekunde in den Armen, denn Clotilde hatte traumverloren das quer über das Deck laufende Rohr übersehen, stolperte und fiel auf die Seite des Kommandanten. Dieser hielt sie den Bruchteil einer Sekunde, eine taumelnde Ewigkeit fest, ihre Brüste pressten sich gegen Vascos Brust, ihr aufgestecktes Haar lag an seinem Gesicht, er fühlte sogar die Wärme ihres verwaisten Leibes.
    Sie setzten sich zusammen an den Tisch, an dem der Senator, zwei Bingokarten vor sich, einen missbilligenden Blick auf den Nebentisch warf, an dem der Abgeordnete Othon und die Schauspielerinnen geräuschvoll den Beginn des Spiels forderten. Gravitätische Damen drehten sichtlich empört dem lärmenden Theatervolk den Rücken. Kinder verlangten Lutschstangen, Karamellbonbons. Nun war alles im Salon versammelt. Ein Steward trat auf den Kommandanten zu und verkaufte ihm zwei Karten, eine für ihn, die andere für Clotilde:
    »Bitte helfen Sie mir, Herr Kapitän, die Nummern zu finden.«
    Der Zahlmeister, der mit seinem Säckchen Spielmarken neben dem Klavier stand, kündigte die Preise an, fünf an der Zahl. Der erste, der im waagrechten Bingo verteilt werden sollte, war eine Flasche Kölnischwasser. Auf ein Zeichen des Zahlmeisters zeigte der Steward die Flasche vor. Danach würde ein »senkrechtes« Spiel erfolgen, der Gewinner würde einen silbernen Schlüsselring, ein bildschönes Stück, bekommen. Der Spielleiter machte spaßige Bemerkungen über die Preise, die den Zuhörern Gelächter und Ausrufe entlockten, während der Steward die Teekanne für alle sichtbar in die Höhe hielt. Dann wurde ein Aschenbecher mit dem Wappen der Schifffahrtsgesellschaft und dem Photo des ITA gezeigt; das war der dritte Preis. Der vierte, auf dessen besonderen Wert der Zahlmeister aufmerksam machte, würde dem Gewinner eines diagonalen Bingospiels zugesprochen werden, bei dem die ganze Karte ausgefüllt werden müsse. Es handle sich um eine Figur Biskuitporzellan mittlerer Größe, ein Kanapee im Stil Ludwigs  XV ., auf dem zwei Liebende mit verschränkten Händen einander anblickten. Dieser erhabene Ausdruck kleinbürgerlichen Geschmacks entlockte Damen und Herren, jungen Mädchen und Männern, dem Senator und Clotilde, Ausrufe des Entzückens. Alle begehrten den Preis, und angesichts der großen Begeisterung trug der Steward die Kostbarkeit von Tisch zu Tisch, da alle, angefangen bei den Schauspielerinnen, sie aus der Nähe zu betrachten wünschten. Clotilde seufzte:
    »Ach, könnte ich das nur gewinnen …«
    Der letzte Preis für ein Spiel in Kreuzform war eine Überraschung, etwas noch Wertvolleres und Schöneres als die soeben vorgeführte Kostbarkeit. Dort stand es, auf dem Klavier, in Seidenpapier eingewickelt. Etwas Viereckiges, Großes, vielleicht eine Kiste; überall löste es neugieriges Getuschel aus. Der Zahlmeister bat um Aufmerksamkeit, das Spiel für den ersten Preis

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