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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Clotilde hatte nur noch ihren Pekinesen im Kopf, der allein in ihrer Kabine saß. So beschlossen sie, am nächsten Tag gemeinsam Recife zu besuchen. Sie war noch immer etwas verschnupft wegen der Mestizin, die sie »ein schamloses Frauenzimmer« nannte.
    Vasco ging ins Spielzimmer hinüber. Junge Männer spielten »King«, an drei Tischen wurde Poker gespielt. An einem – von ihnen glänzte der Kapitalist auf Vergnügungsreise, die Biskuit-Figur stand neben ihm auf einem Stuhl. Die anderen Partner waren Kaufleute und Fazendeiros. Alle drei verloren. Vasco schob einen Stuhl heran und nahm neben dem erfolgreichen Spieler Platz:
    »Sie gestatten?«
    »Aber bitte schön, Herr Kommandant«, antwortete einer der Großgrundbesitzer.
    »Kennen Sie das Spiel, Herr Kapitän?«, fragte der junge Mann, der Glück hatte.
    »Ich verstehe nichts davon, aber ich sehe gerne zu … Wer gewinnt denn?«
    »Sehen Sie’s nicht?«, fragte der andere Verlierer. »Dr. Stênio. Ich hab nie einen solchen Dusel gesehen. Er sticht uns alle aus.«
    Der genannte Dr. Stênio lachte befriedigt, vielleicht über das Scherzwort, vielleicht auch über das Geständnis des Kommandanten, er sei eine Null im Pokern. Vasco blieb gemütlich sitzen und stellte dann und wann eine einfältige Frage über den Wert der Spiele und der Einsätze. Aufmerksam sah er Stênio beim Geben zu.
    »In welchem Hafen steigen Sie aus, Herr Dr. Stênio?«
    »In Belém. Ich werde dort einige Tage bleiben, vielleicht fahre ich bis nach Manau in einem Vaticano – einem großen Flussdampfer – weiter. Ich habe vor, mit der ›Almirante Jaceguay‹ von Lloyd zurückzureisen.« Und er antwortete auf die Ansage eines Fazendeiros: »Ihre 32 und 64 dazu!«
    Gegen ein Uhr dreißig schlug einer der Spieler, dessen Verluste sich auf mehrere Contos de Réis beliefen, vor, die Schlussrunde zu machen. Vasco blieb bis zur Abrechnung, bis zu den Verabschiedungen dabei. Einer der Fazendeiros würde in Recife aussteigen und bedauerte, nicht weiter zu reisen, um seine Verluste hereinholen zu können. Dr. Stênio strich den ganzen Gewinn ein und wollte schon nach seiner Porzellanplastik greifen, um in seine Kabine zu gehen. Aber der Kommandant, der sich bereits von den anderen Partnern verabschiedet hatte, meinte:
    »Es ist noch früh, lassen Sie uns noch ein Weilchen plaudern, Herr Doktor …«
    »Ich falle um vor Schlaf, Herr Kapitän. Morgen ist auch noch ein Tag.«
    »Nein, heute und zwar jetzt gleich. Hören Sie zu, Sie lausiger Bauernfänger. Sie werden nicht bis nach Belém fahren, sondern Ihre Reise in Recife unterbrechen.«
    »Aber ich bitte Sie, Herr Kapitän, was soll das heißen?«
    »Genau das, was ich sage. Ich bin sozusagen mit Pokern zur Welt gekommen, Freundchen. Ich bin vierzig Jahre zur See gefahren, davon zwanzig als Kapitän in östlichen Gewässern, ich kenne Ihre ganze Gilde von Bordschwindlern und Spitzbuben … Ich rate Ihnen, unauffällig von Bord zu verduften, wenn Sie nicht ins Kittchen wandern wollen …«
    »Ich habe meine Passage bezahlt wie jeder andere …«
    »Da haben Sie ihr Geld gut angelegt, es hat schon reichlich Zinsen getragen. Kapiert?«
    »Wenn Sie darauf bestehen …« Er beschloss, sich auf keine Diskussion einzulassen, das gehörte zu den Spielregeln seines Lebens, er würde einfach auf den nächsten Dampfer nach Belém warten.
    Vasco stand auf, nahm die Porzellanfigur und schickte sich zum Gehen an:
    »Gute Nacht …«
    »Verzeihen Sie, Herr Kommandant, das Ding, das Sie da mitnehmen, gehört mir …«
    »Ihnen? – Was denn?«
    »Die hübsche Figur da … Ich habe sie beim Bingo durch reines Glück gewonnen, ohne Mätzchen …«
    »Ohne Mätzchen? Mag sein … Aber das Ding bringt Ihnen beim Poker nur Pech. Den Beweis dafür haben Sie soeben gesehen … Bei mir ist es besser aufgehoben.«
    Der gewandte Berufsspieler ging verärgert fort: Warum musste man für den toten Kapitän auch unbedingt einen alten Seemann auf großer Fahrt holen, einen gewieften Kenner aller Tricks? Resigniert zuckte er die Achseln. Er würde sich in Recife schadlos halten, dort gab es eine Handvoll steinreicher Zuckerfabrikanten, die wild aufs Pokern waren. Nur die Sache mit dem Porzellanfigürchen tat ihm leid, es war ein so zauberhaftes Stück, er hätte es gerne Daniela, seiner Frau, mitgebracht. Denn er war glücklich verheiratet, hatte vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, allesamt zuckersüß, er betete seine Familie an, einen besseren

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