Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
Vom Netzwerk:
Tisch zukam.
    »Mit Verlaub, Herr Kapitän! …« Dann wandten sie sich an Clotilde:
    »Würden Sie uns nicht ein bisschen zum Tanz aufspielen …?«
    Geschmeichelt und eingebildet entgegnete sie:
    »Ich spiele nicht gerne Tanzmusik. Ich halte mich an meine Lieblingskomponisten …«
    »Oh!«, sagte eine Achtzehnjährige, eine brünette Blüte aus Pernambuco, flehend: »Es ist der letzte Tag an Bord, jedenfalls für mich. Wir hätten so schrecklich gerne ein wenig getanzt.« Neben ihr warf ein hochgeschossener Junge Clotilde lächelnd einen bittenden Blick zu.
    »Bitte, bitte, tun Sie uns doch den Gefallen …«, bat ein anderes junges Mädchen mit gebräunter Haut und offenem schwarzem Haar, ein Mischling mit glühenden Augen.
    Die jungen Männer ließen nicht locker; diese jungen Menschen, die gerade zu leben begannen, voller Begehren waren, rührten den Kapitän so sehr, dass er auf den ersehnten Spaziergang verzichtete und gleichfalls bat:
    »Spielen Sie doch ein Weilchen, ja? Ich höre Ihnen so gerne zu …«
    »In diesem Fall … Nur Ihnen zu Gefallen, Herr Kapitän.«
    Mit den jungen Leuten ging sie zum Klavier hinüber und sagte:
    »Aber lange kann ich nicht spielen … Jasmin erwartet mich …«
    Kaum erklangen die Töne, als die dunkle Pernambucanerin in den Armen ihres kräftigen Verehrers, den sie an Bord kennengelernt hatte und in den sie bis über beide Ohren verliebt zu sein schien, selig entschwebte. Er war auf der Reise nach Fortaleza, seiner Heimatstadt, wo er in einer Bank arbeitete. Er versprach, sie am Jahresende, in den Weihnachtsferien, in Recife zu besuchen.
    Die Mestizin mit den feurigen Augen trat auf den Kommandanten zu und machte einen spaßigen Knicks:
    »Würden Sie mir die Ehre dieses Kontertanzes geben, Herr Kapitän?«
    Vasco stand auf und ergriff die Hand des Mädchens, er war ein alter Tänzer und zur Zeit der Pension Monte Carlo ein berühmter Meister des Parketts gewesen, noch heute wurde sein Ruhm als Tänzer von den gleichaltrigen Seeleuten an den Küsten des Mittleren und Fernen Ostens, des Mittelmeers und der Nordsee gesungen. Er kannte zwei Arten des Tanzes: die erste, »à la bruta«, Körper an Körper, Wange an Wange, bei der man sich durch die Tuchfühlung mit dem Partner erhitzte. So hatte er in der Pension Monte Carlo, im Kabarett »Gelber Drachen« in Hongkong, in der geheimnisvollen Kellertaverne »Blauer Nil« in Alexandrien getanzt. Zweitens »à la familiar«: bei der die Finger kaum den Rücken der Partnerin berührten und wo man, eine Handbreit Abstand zwischen den Tänzern, in seriöser Haltung mit der Dame plauderte. So tanzte er auf den Festen des Regierungspalastes, bei den Empfängen der Bahianer Gesellschaft, auf den Bällen der großen Passagierdampfer, die zwischen Europa und Australien verkehrten.
    Nun begann sein Tanz mit dem Mädchen von indianischem Blut und betörender, lunarer Schönheit. Warum erinnerte sie ihn an Dorothy, obwohl sie dieser gar nicht ähnelte? Aber die beiden, das Mädchen aus Feira Sant’Ana und die Senhorita aus Belém, hatten etwas gemeinsam: die rastlosen hellen Augen, die kaum verhehlte Begierde, etwas Sprunghaftes in jeder, auch der geringsten Gebärde, die gleiche Liebeshast und -gier. Beide, die eine wie die andere, waren Vollblutweibchen.
    Und schon fühlte er, wie ihre Schenkel ihn berührten, ihre Brüste gegen seine Brust schwollen, wie ihr offenes schwarzes Haar an seinem Gesicht entlangstrich. Das Mädchen schloss die Augen, er biss sich auf die Unterlippe. Vasco bekam es mit der Angst. Vom Klavier blickte Clotilde mit gerunzelter Stirn herüber. Er versuchte, sich von dem sehnsüchtigen wilden Körper des Mädchens zu lösen, aber sie hielt ihn fest. Er begriff durch die an Dorothy erlernte Bescheidenheit, dass sie sich nicht ihm, Vasco, einem Sechziger mit weißem Haar, beim Tanzen hingab, sondern einfach einem Mann, und da war es gleichgültig, welchen Alters, welcher Farbe, ob er gutaussehend, ob er elegant war.
    Glücklicherweise war der Tanz bald zu Ende. Clotilde hatte das Stück abgekürzt, die Paare trennten sich, Vasco dankte:
    »Vielen Dank, gnädiges Fräulein.«
    »Sie tanzen gut, Herr Kapitän. Ich habe Ihnen zu danken.«
    Er ging zu Clotilde ans Klavier hinüber, und sie sagte:
    »Deshalb haben Sie mich also zu spielen gebeten, nicht wahr?«
    An jenem Abend fiel der geplante Spaziergang aus. Als die jungen Leute sie schließlich aufstehen und fortgehen ließen, war es fast Mitternacht, und

Weitere Kostenlose Bücher