Zwei Geschichten von der See
Liebeswinkel davonstob, war es zu spät: die Mischlinge waren bereits in Auftrag gegeben.
Clotilde fand kein Wort des Dankes. Sie presste den Pekinesen an ihre Brust, an ihr Gesicht, sie küsste sein gemartertes Schnäuzchen und betastete behutsam seine Rippen; die großartige Schlacht, die jetzt zwischen Boxer und Pseudodogge aus reiner Kampfeslust ohne den Preis des Weibchens – das jetzt verliebt die Wunden des Siegers leckte – geschlagen wurde, würdigte sie keines Blickes.
Alles auf der Welt hat sein Gutes. Die mutige Tat, die das Gelächter der meisten Zuschauer und die verschmitzte Neugier einiger Straßenbengel erregt hatte, brachte Clotilde zu dem Entschluss, Jasmin aufs Schiff zurückzubringen; die Stadt war doch zu voll von Versuchungen und Gefahren für das arme unschuldige Tierchen. Gesagt, getan. Auf diese Weise wurde Vasco die lästige Gesellschaft der anderen Reisegefährten los.
Da es fast schon Mittagessenszeit war, wartete man an Deck auf das Glockenzeichen, während Clotilde sich damit beschäftigte, die Zahnabdrücke des Foxels auf einem Bein Jasmins mit Jod zu betupfen.
So kam es denn, dass das von Jasmin befreite Paar am heißen Nachmittag wie zwei Studenten durch die Stadt schlenderte. Sie war erholt von der »hündischen« Aufregung des Vormittags, er war wegen seines Mutes und der Schnelligkeit, mit der er ihre Bitte erfüllt hatte, in ihrer Achtung gestiegen.
Nachdem sie durch Straßen und über Plätze spaziert waren, landeten sie in einer Eisdiele, wo Clotilde gierig alle Eisbecher des Hauses probieren und sie mit den Eissorten Beléms, die in ihren Augen die besten von der Welt waren, vergleichen wollte. Vasco bewunderte eine Zeitlang ihren Appetit, als sein Herzschlag plötzlich stillstand: Drüben an der Kaiserbrücke – die Eisstube lag in der Rua Aurora, von der aus die alte ehrwürdige Brücke zu überblicken war – hatte er in der dahineilenden Menge eine beleibte schwarzgekleidete Dame mit einem Spitzentuch auf dem weißen Haar erblickt, die ein Kind an der Hand führte. Obgleich er das Gesicht nur eine Sekunde lang gesehen hatte, glaubte er sicher zu sein, in der zärtlichen alten Großmutter, die den Kleinen anlächelte, Carol erkannt zu haben: Vasco vergaß seine Begleiterin, vergaß, dass er Kapitän im aktiven Seefahrtsdienst war, er vergaß, das Eis zu bezahlen, stürzte aus der Tür und rannte in Richtung Rua da Imperatriz davon, wo die flüchtige Vision verschwunden war. Doch er fand sie nicht mehr, rief aber noch ihren Namen mit lauter Stimme, so dass sich einige Passanten verwundert nach ihm umdrehten. Plötzlich merkte er, dass er Clotilde allein in der Eisdiele gelassen hatte, und kehrte eilends zurück.
Sie war in heller Wut und wollte zuerst kein Wort mehr mit ihm sprechen. Er versuchte, ihr die Sache zu erklären, aber sie hatte schon ihre eigene Lesart des Geschehnisses parat: Warum hatte er ihr nicht gleich gesagt, dass er die ganze Zeit einer alten Liebe, die natürlich nicht mehr unter derselben Adresse zu finden war, nachgespürt hatte? Deshalb also war er mit ihr so abwesend über Plätze und Straßen gebummelt und hatte die Vorübergehenden so prüfend gemustert.
»Schlagen Sie sich das bitte aus dem Kopf. Ich glaubte allerdings, jemanden gesichtet zu haben, von dem ich seit über zwanzig Jahren nichts mehr gehört habe.«
»Eine Frau?«
Vielleicht würde er es ihr eines Tages erzählen. Aber dazu war der Augenblick nicht geeignet:
»Keineswegs … Einen Freund, einen Offizier, der zehn Jahre lang mit mir auf mehr als einem Schiff gefahren ist. Wir waren enge Freunde, fast wie Brüder … Aber er musste seine Laufbahn von einem Tag auf den anderen aufgeben, und zwar wegen eines Todesfalls in der Familie, daheim in Garanhuns, einem Städtchen im Innern des Staates Pernambuco. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört …«
Sie möge ihm nachträglich seine plötzliche Ergriffenheit in der Sekunde verzeihen, als er meinte, das Gesicht des so lang verlorengeglaubten Freundes im Menschengewühl der Brücke entdeckt zu haben. Sie waren wie enge Freunde und so miteinander verbunden gewesen, dass der eine stets abmusterte, wenn der andere von Bord ging …
Je heftiger sich Verliebte zanken, desto zärtlicher versöhnen sich auch wieder. Hand in Hand verließen die beiden bald darauf die Eisbar, um zum Hafen zurückzuschlendern. Sie hatte ein wenig geweint, zwei kleine Tränen, die sie mit einem Seidentüchlein abwischte, in dessen eine Ecke
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