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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Vater des Vaterlandes respektvolleres Benehmen an Bord fordern müssen. Aber ein Kommandant muss auch beweglich sein, jeden Skandal und damit den Ruin seines Schiffes vermeiden. Überdies, wie durfte er, ein Mann vieler Abenteuer, sich über Liebespaare aufregen, selbst wenn es nur Liebesfeste eines Augenblicks waren? Wiederum über die Reling gebeugt, dachte er an jenen Kommandanten der Kriegsmarine, an Georges Dias Nadreau. Als man sich einmal bei ihm über einen Matrosen beschwerte, der mit einer Schwarzen in einem dunklen Hafenwinkel ertappt worden war, lachte er nur und erklärte: »Beschwert euch beim Bischof, ich bin kein Vorhängeschloss für eine Punze.« Hatte er, Kommandant Vasco Moscoso de Aragão, in jener wahnsinnigen Nacht auf Deck seines eigenen Schiffes nicht den zitternden Körper Dorothys und ihre Liebesglut in den Armen gehalten?
    Sehnte er sich hier, in seiner Traumwanderung, nicht danach, Clotildes Hände in die seinen zu nehmen, ihre Haare zu streicheln, ihr leidenschaftliche Worte ins Ohr zu flüstern, im Schein jenes einsamen Sternes seinen Mund auf ihren Mund zu pressen, ihren Leib auf den Planken seines Schiffes zu berühren?
    Von jungen Menschen auf Recifes Brücken und Straßen und von einer unvermuteten flüchtigen Vision
    Er kaufte ihr Mangabas und Sapotis in der Rua Nova, bot ihr gelbe Cajás und grüne Umbus am Kai der Rua da Aurora, rote Pitangas in der Rua do Sossêgo an, er ließ ihr am Strand Boa Viagem ein Glas Kokosmilch kommen. Clotilde war wild auf nordöstliche Früchte, auf Mangas und Cajus, auf Abaxis aller Arten, auf Abius, auf Cajaranas, Goiabas, Araçás. Hüpfenden Schrittes, uneingedenk seiner sonst so würdigen Haltung, schwebte der Kommandant dahin und trug ihr überflüssiges Sonnenschirmchen; wie zwei übermütige Schüler überquerten sie die Brücken und Plätze und schlenderten durch Recifes Straßen. Sie lachten grund- und planlos gleich »zwei alten Spaßvögeln«, wie eine eilige Passantin meinte, die fast Anstoß nahm an der jugendlichen Ausgelassenheit des Kommandanten und der Pianistin.
    Das Theatervolk und der Deputierte aus Paraíba waren am Morgen von Bord gegangen. Auch Dr. Stênio, den der Anblick der Stadt Nassau so bezaubert hatte, dass er – wie er seinen Mitreisenden ankündigte – beschloss, seine Reise zu unterbrechen, um die Stadt in einem mehrtägigen Aufenthalt besser kennenzulernen. Als er den Fuß aufs Fallreep setzte, suchte er mit kritisch prüfendem Blick den Kommandanten. Aber nicht etwa, weil dieser seine Bübereien und Manipulationen beim Poker erkannt hatte; denn der Kapitän auf großer Fahrt hatte Großmut bewiesen, ihn nicht der Polizei zu übergeben, kein Wörtchen über den Zwischenfall verlauten lassen und nicht einmal die hereingefallenen Fazendeiros aufgeklärt. Sein kritischer Blick bezog sich auf die Biskuit-Porzellanfigur. Wo würde er ein ebenso hübsches Stück auftreiben können, um es seiner Frau mitzubringen? Auch einige andere Leute gingen an Land, da der ITA in jedem Hafen Passagiere abgab und aufnahm. Auch die dunkelhäutige Senhorita wurde von ihrer Familie an der Pier erwartet. Für sie war die Reise allzu kurz gewesen, daher stellte sie bei der Ankunft auch sogleich den sportlichen Bankangestellten aus Ceara ihren Eltern und Tanten vor. Am Spätnachmittag würde sie ihm vom Ankerplatz aus zuwinken, und ihre Augen würden eine Weile sehnsüchtig das auslaufende Schiff begleiten.
    Als der Kommandant nach Unterzeichnung einiger ihm vom Ersten Offizier vorgelegten Papiere frei war und Clotilde suchte, stand sie bereits mit anderen Fahrgästen auf der Pier. Sie waren in einer großen Gruppe an Land gegangen, und Vasco verbarg nicht seine Enttäuschung. Er hatte gehofft, sie den ganzen Vormittag und den frühen Nachmittag für sich allein zu haben, da er verhältnismäßig früh an Bord zurückgehen musste, um wiederum Dokumente zu unterzeichnen. Nun sah er sich von einem Wirbel ganzer Familien mit Scharen von Kindern umringt, die alle die törichtesten, sinnlosesten Fragen stellten, als wäre er ein wandelndes Konversationslexikon und kenne nicht nur Straßen, Gasthäuser und Bars auswendig, sondern auch die in der Stadt üblichen Preise, einschließlich der für Säuglingskleidchen.
    Er konnte nicht dem Beispiel des neugebackenen Ehepaars folgen, das so tat, als wäre es allein im Paradies, als existierten die anderen nicht; es fehlte nur, dass die beiden sich auf eine Bank in den Parkanlagen gelegt und dort

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