Zwei Geschichten von der See
Liebeleien, man erlebt von neuem Feste und Wettkämpfe zwischen verliebten eifersüchtigen jungen Sportlern, die Geschichte eines mit knapper Not aus dem Wasser gezogenen Kindes, Geburtstagstänzchen und nächtliches Schwärmen, das die Bettruhe störte.
Die Einwohnerschaft – wenn wir die Fischer und eine Handvoll Handelsleute ausnehmen: Inhaber der einzigen Bäckerei, der zwei Bars, einiger weniger Lebensmittelgeschäfte, der Apotheke, außerdem einige Angestellte der Ost-Brasilianischen Eisenbahngesellschaft, die neben dem Bahnhof wohnen – setzt sich zusammen aus Beamten im Ruhestand und privatisierenden Geschäftsleuten mit ihren Familien, die meist nur aus der Ehefrau und bisweilen einer unverheirateten Schwester bestehen. Einige dieser älteren Herrschaften behaupten, Periperi in seinem Alltagsfrieden vor und nach dem Sommer vorzuziehen, in Wirklichkeit lassen sie sich jedoch alle nur zu gerne früher oder später in den Ferientrubel hineinziehen. Selbst wenn es bloß darum geht, mit langen Hälsen und aus dem Kopf tretenden Augen die im Sand ausgestreckten halbnackten Mädchenkörper zu bespähen – was gibt es doch für stramme Puppen! – oder über die Liebespärchen in den dunklen Ecken zu lästern. So zieht Seu Adriano Meira, Privatier eines Eisenwarengeschäftes, allabendlich im Sommer nach neun Uhr mit einer Taschenlampe aus, um, wie er sich ausdrückt, »die Pärchen zu überwachen und zu sehen, ob sie gut arbeiten«. Zu diesem Behuf hat er sich eine vollständige Sondierungsroute ausgearbeitet zu Winkeln, Felsen und Geröll, zu Hinterhöfen, Portalen und Ecken, in denen die Liebespaare die der Liebe günstige Einsamkeit suchen. Am darauffolgenden Tag liefert Seu Adriano dann einen ausführlichen malerischen Rechenschaftsbericht. Die alten Rentner reiben sich die Hände, ihre Augen glänzen.
All das dient nicht nur im Sommer als Gesprächsstoff. An jedes Faktum erinnert man sich auch noch nachher. Es wird ausgiebig in seine Bestandteile zerlegt und gesichtet – wenn die Sommergäste längst abgereist sind und wieder der Frieden der Welt über Periperi gesunken ist, wenn die Zeit langsam verstreicht und die Stablampe des Senhor Adriano in den dunklen Ecken nur noch einen besoffenen Caco Podre oder ein Techtelmechtel zwischen einer Köchin und einem Fischer zu beleuchten vermag.
Es gibt aber außergewöhnliche Sommer. Nicht etwa durch die Schönheit ihrer Tage, durch den strahlenderen Glanz von Grün und Blau auf Bäumen und Meer, durch Nächte mit frischerer Brise und reicherem Sternenhimmel. Solche Dinge bedeuten den Rentnern und Privatiers wenig. Außergewöhnlich sind Sommer, in denen ein anständiges Ärgernis zu berichten ist, ein echter, himmelschreiender Skandal, ein fetter Brocken, der allein die Unterhaltungen der toten Monate zu beleben vermag. Aber dergleichen kommt nur alle Jubeljahre einmal vor. Schade!
Nun gut: der der Ankunft des Kommandanten vorausgegangene Feriensommer war von ungeahnter Reichhaltigkeit gewesen. Zwei Skandale, der eine gleich Anfang Januar, der andere, tragischen Ausgangs, nach dem Karneval, verliehen ihm einen Sonderplatz in den Annalen des Vorstädtchens.
Eine Beziehung zwischen dem Fall des Oberstleutnants Ananias Miranda von der Militärpolizei und der Ankunft des Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão lässt sich guten Glaubens kaum herstellen. Trotzdem besteht die allgemeine Tendenz, die beiden Tatbestände miteinander in Verbindung zu bringen, als sei das Missgeschick des Senhor Ananias eine Art Prolog zu den Abenteuern Vascos.
Verdiente die Stimme des Volkes nicht die Beachtung der Historiker, würde es sich kaum lohnen, das unblutige Spektakel des Monats Januar zur Kenntnis zu bringen, wenngleich es aus jedem Faktum etwas zu lernen gibt. So können wir aus den geräuschvollen – und blitzschnellen – Ereignissen, in die der Oberstleutnant, seine Gattin Ruth und der junge Rechtsstudent im sechsten Semester, Arlindo Paiva, verwickelt waren, zumindest zwei wertvolle Lehren ziehen. Erstens: Selbst die besten, reinsten Absichten können falsch ausgelegt werden. Zweitens: Man darf sich nicht einmal auf den strengsten Stundenplan verlassen, von militärischen Stundenplänen ganz zu schweigen.
Die Absichten beziehen sich auf den Studenten, der Stundenplan auf den erzürnten Offizier von der Militärpolizei. Auf Ruth bezieht sich die Einsamkeit heißer Nachmittage, die Schwermut leerer Stunden, das Bedürfnis nach seelischem Trost. Sie war eine
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