Zwei Geschichten von der See
Einheimischen.
Einen Skandal wie diesen, bei dem ein verheirateter Mann mit einem jungen Mädchen durchgeht, wo eine andere sich nächtens am Strand herumtreibt, wo es Selbstmord und Zusammenbruch gibt, einen so ausgewachsenen Skandal wissen, weiß Gott, nur die Bewohner von Periperi richtig zu schätzen. Er füllt die Regentage, wenn die Sommergäste fliehen und der Badeort von Erinnerungen lebt.
Von den fröhlichen Monaten bewahrte Periperi nur das gewisse festliche Aussehen einer Ferienkolonie, das vielleicht von den blau, rosa, grün und gelb gestrichenen Häusern, von den mächtigen Bäumen des Stadtplatzes, vom Strand und vom Bahnhof herrührte. Vermutlich aber vor allem von der Tatsache, dass die Mehrzahl der Bevölkerung sich aus müßigen Menschen, aus pensionierten Beamten, aus privatisierenden Geschäftsleuten zusammensetzte. Diese Leutchen fahren nur einmal im Monat in die Stadt zum Geldabheben, sie verlieren die Gewohnheit, eine Krawatte umzubinden; schon morgens lungern sie im Pyjama, in einer alten Hose und mit aufgeknöpftem Hemd umher. Jeder kennt den andern, man trifft sich täglich. Die Hausfrauen besprechen häusliche Fragen, sie tauschen Blumensetzlinge für ihre Gärten, Kuchen- oder Tortenrezepte für ihre Kaffeevisiten aus; die Männer spielen Tricktrack oder Dame, leihen einander Zeitungen, einige widmen sich dem Angelsport, alle geben sich am Bahnhof ein Stelldichein, wo sie auf Bänken sitzend die ein- und abfahrenden Züge erwarten. Gegen Abend finden sie sich auch auf dem Platz ein, wo sie teils in ihren Schaukelstühlen, Armstühlen, Liegestühlen, teils auf den die Bäume umstehenden harten Bänken ausruhen. Man diskutiert über Politik, man ruft Geschehnisse des vergangenen Sommers wach, man versucht das Altern in die Länge zu ziehen, weitab vom Trubel der Großstadt, deren Lichter in der Entfernung aufblinken und damit die Stunde des Abendessens verkünden. Im unendlichen Frieden dieses Zufluchtsortes schleicht die Zeit, und in der Mittagshitze des Schlummerstündchens scheint sie endgültig stillzustehen.
Als die Erregung der Gemüter über das Trauerspiel des Hauses Cordeiro ihren Höhepunkt erreicht hatte, platzte eine überraschende Nachricht herein: Das Haus mit den grünen Fensterläden war verkauft worden. Wie konnte so etwas ohne ihr Wissen geschehen sein, ohne dass sie von den Verkaufsverhandlungen erfahren hatten? Nie war bisher ein Haus verkauft oder vermietet worden ohne die tätige Mitwirkung der Nachbarn, die Tipps gaben, über den Preis stritten, den Kauflustigen auf Fehler oder Vorteile des Objekts aufmerksam machten und nicht selten den ohnmächtigen Zorn der Makler hervorriefen. Indessen war gerade der Verkauf eines so im Blickfeld des Interesses stehenden, gleichsam vom Blut Pedro Cordeiros bespritzten Hauses getätigt worden, ohne dass die Einwohner darüber befragt worden waren, ohne dass sie den Käufer in Augenschein genommen und Beziehungen zu ihm angeknüpft hatten. Ein Rätsel! Man sprach unbestimmt von einem vermögenden Mann, der seinen Beruf aufgegeben hatte – aber was war das für ein Beruf, was für ein Vermögen, was für ein Mann? In Wirklichkeit wusste man über seine Vermögensverhältnisse, über seinen Personenstand, seinen Beruf nicht das Geringste. Man fühlte sich hintergangen.
Der Regen musste daran schuld sein, es gab keine andere Erklärung. In der Tat erzählten die Geschwister Magalhães, drei hellhörige, blitzwache alte Weibchen, denen keine Bewegung, kein Geräusch entging und deren Haus in der Nähe des Cordeiro’schen stand, sie glaubten, sie hätten etwa vor einem Monat Leute ums Haus streichen hören – zwei Unbekannte in Regenmänteln und mit aufgespannten Regenschirmen. Es habe jedoch so stark geregnet, dass man die Fenster nicht hätte aufmachen können. Außerdem habe damals Carminha, die mittlere, mit Grippe zu Bett gelegen, man habe die Kranke pflegen müssen; wer hätte denn an den Verkauf gedacht, all das hatte ihre Wachsamkeit natürlich beeinträchtigt. Zwei Männer in Gummimänteln und mit aufgespannten Regenschirmen, sehr wahrscheinlich Makler und Käufer, mehr wussten sie nicht.
Die Ankunft des neuen Hausfaktotums, einer vierzigjährigen dunklen Mulattin, mit dem Frühzug, gab der unbefriedigten Neugier neue Nahrung. Kaum hatte diese die Schwelle des verlassenen Hauses überschritten, als die Geschwister Magalhães angelaufen kamen, ihre Hilfe anboten und sie mit Fragen bombardierten. Da der Regen aufgehört
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