Zwei Geschichten von der See
Wäschewaschen ab, während ihr Töchterchen den Kessel bediente. Auf Dondocas schwellenden Lippen erblühte ein schüchternes, aber ausdrucksvolles Lächeln, als der Richter sie ernst anblickte und ihre Hand nahm:
»Ich bin gekommen, um dir tüchtig den Kopf zu waschen …«
»Ich wollte ja erst gar nicht. Er war’s, der …«, plärrte die Schöne los.
»Das war sehr ungerecht gehandelt!« Damit ergriff er ihren strammen Arm.
Schon löste sie sich in reuige Tränen auf, während der Richter, um sie besser zurechtweisen und ermahnen zu können, sie auf seinen Schoß setzte, ihr Gesicht streichelte und ihre Arme tätschelte. Ein zauberhaftes Bild: die unerbittliche Strenge des hohen Staatsbeamten, gemildert durch die verständnisvolle Güte des Menschen. Dondoca barg das beschämte Gesichtchen an der trostreichen Schulter, und ihre Lippen kitzelten unschuldig den illustren Hals.
Zé Canjiquinha wurde nie aufgestöbert, dafür blieb aber Dondoca seit jenem erfolgreichen Besuch unter dem Schutze der Gerechtigkeit. Heute geht sie fein herausgeputzt, sie hat das Häuschen in der Sackgasse von den drei Faltern als Geschenk bekommen, Pedro Torresmo braucht nicht mehr zu arbeiten. Dies ist eine Wahrheit, die der Leuchtturm des Herrn Richters nicht anstrahlt, ich musste sie aus dem Brunnen heraufholen. Um übrigens alles, die ganze Wahrheit, zu erzählen, muss ich hinzufügen, dass der Sprung hinunter angenehm, ja reizvoll war, denn auf dem Grund jenes Brunnens lag die gut gepolsterte Sprungfedermatratze von Dondocas Bett, auf der diese mir – nachdem ich mich gegen zehn Uhr abends von der gelehrten Suada des Hochverdienten und von seiner massigen Ehegattin getrennt – höchst ergötzliche Intimitäten des berühmten Staatsbeamten erzählte, die sich leider nicht zur Drucklegung eignen.
Wie man sieht, besitze ich gewisse Erfahrungen in der Angelegenheit und erforsche die Wahrheit nicht zum ersten Mal. Somit fühle ich mich durch die Anregung des Herrn Richters – »Es ist unser aller Pflicht, die Wahrheit jedes Tatbestandes zu suchen« – beflügelt, den Knäuel der Abenteuer des Kommandanten zu entwirren, wobei ich eine so umstrittene und verzwickte Frage ein für alle Mal aufklären will. Hier handelt es sich freilich nicht nur um die verwickelten Fäden eines Wollknäuels, sondern um etwas viel Schwierigeres. Mittendrin finden sich nämlich blinde Seemannsknoten, Schifferknoten, lose Enden, abgeschnittene Stücke, Fäden anderer Farben, Geschehenes und Eingebildetes. Wo ist da die Wahrheit der ganzen Geschichte? Zu der Zeit, in der all das geschah, im Jahre 1929 , mithin vor über dreißig Jahren, bildeten der Kommandant und seine Abenteuer den Mittelpunkt des Periperinser Lebens; sie lösten glühende Diskussionen aus, sie teilten die Bevölkerung in zwei Lager, sie entfesselten Feindschaft und Groll, ja fast einen heiligen Krieg. Auf der einen Seite standen die Parteigänger des Kommandanten, seine bedingungslosen Bewunderer, auf der anderen seine Schmäher, an der Spitze der alte Chico Pacheco, ehemaliger Steuerprüfer des Landesfinanzamts, Abteilung Umsatzsteuer, noch heute erinnert und belächelt als ein Mensch von ätzender, verletzender Rede, dem nichts ernst und nichts heilig war.
Zu alldem werden wir jedoch mit der Zeit und mit Geduld vordringen, die Suche nach der Wahrheit erfordert nicht nur Entschlossenheit und Charakterstärke, sondern auch guten Willen und Methodik. Vorderhand stehe ich noch am Rand des Brunnens und überlege, wie ich am besten auf seinen geheimnisvollen Grund hinabsteige. Und schon enttaucht seinem Grab auf dem entlegenen Friedhof der alte Chico Pacheco, um mich aus dem Konzept zu bringen, mir seine Gegenwart aufzuzwingen, mich ins Boxhorn zu jagen. Er ist nämlich ein ärgerlicher, aufdringlicher Kumpan, der es darauf anlegt, sich in Szene zu setzen und zu glänzen; sein Ehrgeiz war stets, die erste Geige zu spielen in diesem schmucken Vorstädtchen, wo alles, selbst das Meer – das Meer einer Bucht, in der die Wellen nie wüten, deren Strand das Wasser ohne Wogen und Brandung bespült – sanft und zahm ist und in dem das Leben friedlich und behäbig dahinfließt.
Mein Wunsch, mein einziger Wunsch – glaubt es mir! – ist, objektiv und gelassen vorzugehen. Um die Wahrheit selbst mitten im Streit zu suchen, sie aus der Vergangenheit auszugraben, ohne Partei zu ergreifen, und den verschiedenartigsten Lesarten sämtliche Schleier der Phantasie abzureißen, die die
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