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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Eheleute wie Turteltauben.
    Diese Tatsachen mit dem Kommandanten in Beziehung zu bringen, scheint keine leichte Aufgabe zu sein. Indessen weist der alte Leminhos, ein im Ruhestand lebender Postbeamter, der einzige lebende Zeuge der Ereignisse, jedes Mal, wenn das Gespräch auf den Kapitän auf großer Fahrt kommt, auf Folgendes hin: »Die Dinge begannen, als ein Major des ruhmreichen Heeres seine Frau mit einem Studenten im Bett erwischte.« Man fragt sich, warum Leminhos den Oberstleutnant zum Major degradiert und eine Verbindung zwischen den Hörnern des Ananias und den Abenteuern des Kommandanten herstellt. Indessen ist Leminhos’ Behauptung kategorisch, er ist ein ruhiger, überlegter Mann; er muss seine Gründe haben, und wir müssen sie achten.
    Der zweite Skandal hatte bereits in greifbarer Weise mit dem Kommandanten zu tun. In dem Haus, das er später bewohnen sollte, spielten sich nämlich gewisse Dinge ab, und wäre die Familie Cordeiro nicht in die Tragödie verwickelt gewesen, nie hätte der Kommandant jenes Haus zu einem Sonderpreis erwerben können.
    Die Familie Cordeiro bestand aus dem Vater Pedro Cordeiro, dem Inhaber einer Fabrik alkoholischer Getränke, der Mutter und vier heiratsfähigen Töchtern. Zwar befand sich Pedro Cordeiro in ausgezeichneter finanzieller Lage, er war jedoch leichtlebig und leichtsinnig; ein Beweis dafür war sein Sommerhaus, das, auf einem soliden Steinsockel stehend, geräumig, bequem und fast so luxuriös war wie sein Stadthaus. Er hatte ein Vermögen für den Bau ausgegeben und es mit einem rauschenden Fest eingeweiht. Er erfüllte jede Laune seiner Töchter, denen er sogar ein Motorboot geschenkt hatte.
    Die Mutter unterstützte ihre Töchter auf der Suche nach einem Mann. In dem Haus mit den grünen Fensterläden jagte eine Tanzerei die andere, die Paare tummelten sich in dem großen Salon, der auf das Meer ging und in dem der Kommandant später sein Teleskop aufstellen sollte. Die jungen Mädchen machten Fahrten im Motorboot, hockten abends auf den Felsen, veranstalteten Picknicks in Paripe, saßen keinen Augenblick still, kurz, sie waren die Seele des Feriensommers. Einem von ihnen, Rosalva, der zweiten Tochter, war im letzten Jahr die Verlobung mit einem Agronom geglückt; schon ging sie abends mit den anderen nicht mehr an den Strand und saß Hand in Hand mit dem Bräutigam auf der Veranda – Hand in Hand, Mund an Mund, Schenkel an Schenkel, wie Seu Adriano Meira, der Mann mit der Stablampe, formulierte.
    In der Karnevalszeit wurde im Hause Pedro Cordeiros vom Faschingssamstag bis zum Kehraus am Dienstag allabendlich getanzt. Wenige Tage später war der Skandal da: Adélia, das Nesthäkchen, ein dunkelhaariges Trotzköpfchen, verschwand mitsamt ihren eigenen und den besten Kleidern ihrer Schwestern, obendrein mit Herrn Dr. Aristides Melo, einem verheirateten Arzt. Fast die gesamte Bevölkerung wohnte dem Schauspiel der verlassenen Gattin bei, die, in Tränen aufgelöst, in das verstörte Heim der Cordeiros stürzte und heulend nach ihrem Mann verlangte, den »die kleine Hure – Ihre Tochter – mir gestohlen hat«. Die Cordeiros flohen aus Periperi, und noch immer wurde das Ereignis besprochen, als der Schuss widerhallte, mit dem Pedro Cordeiro sich im Kontor seiner Fabrik in Bahia erschoss, als sein Bankrott erklärt worden war. Das Echo des Schusses gelangte per Eisenbahn in den Strandort, begleitet von einem Kometenschweif von Gerüchten: Das gesamte Eigentum des Selbstmörders war bis unters Dach mit Hypotheken belastet, aufgebrachte Gläubiger umringten den Leichnam, der Agronom löste die Verlobung, auf schwerwiegende Gründe gestützt: Die Familie war entehrt, die Braut ohne Mitgift, eine andere Tochter, die älteste, hatte gleichfalls mit einem verheirateten Manne angebändelt, unerlaubte Liebschaften schienen somit eine Art von Fluch oder Manie in der Familie geworden zu sein. Es gab kein anderes Gesprächsthema mehr, und die Damen tuschelten einander anrüchige Einzelheiten über die Liebschaften der Cordeiro-Töchter zu.
    Seu Adriano Meira hatte bei einer bestimmten Gelegenheit, in aller Herrgottsfrühe am Strand, die älteste der Schwestern mit seiner Stablampe angestrahlt: das Kleid bis über den Nabel hochgezogen, verschlungen mit einem Unbekannten. »Den Hintern hell wie ein Mondgesicht.« Derartige Geschichten gingen massenweise um. Der Regen fiel in Strömen, er verschlammte die sandigen Gassen und befruchtete die Phantasie der

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