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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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hatte, sammelte sich vor dem Haus ein Haufen alter Leute an, sie hatten in der Umgebung ein sonniges Plätzchen gesucht, nun kamen sie langsam näher und suchten mit der Neuen eine Unterhaltung anzubahnen. Aber die Mulattin Balbina war wortkarg, unlustig und mürrisch. Den Fußboden schrubbend, antwortete sie einsilbig und lehnte die angebotene Hilfe ab. Aber auch so brachten sie heraus, dass der neue Besitzer am Nachmittag eintreffen werde.
    »Mit seiner Familie?«
    »Mit welcher Familie denn?«
    Sofort entsandten sie einen Späher an den Bahnhof, nun war Alarm geblasen. Diesmal würde ihnen der neue Nachbar nicht entwischen. Die Sonne war wiedergekehrt, die milde Wintersonne, die Tage waren schön, sanft blies die Brise der Bucht. Man stellte Mutmaßungen an: Würde er Dame spielen? Würde Tricktrack seine Stärke sein? Vielleicht würde er sich – wer weiß – als der ersehnte Schachpartner für Emílio Fagundes, einen früheren Abteilungschef des Ackerbauministeriums, entpuppen und mit diesem Briefpartien spielen, da in Periperi kein zweiter Kenner dieses wissenschaftlichen, verzwickten Spiels zu finden war.
    Als daher der Kommandant aus dem um vierzehn Uhr dreißig eintreffenden Zug stieg und zum Gepäckwagen schritt, um das Ausladen seiner Koffer zu überwachen, wartete bereits die Mehrzahl der gehfähigen Männer; sie hoben den Kopf aus ihren Morgenblättern oder von den Damebrettern, um den untersetzten, vierschrötigen Bürger mit seinem geröteten Gesicht, mit der Hakennase und seinem ungewöhnlichen Seemannsrock in Augenschein zu nehmen.
    »Was ist denn das?«, fragte Zequinha Curvelo, auf das in einem Lattenverschlag verpackte Steuerrad deutend.
    Nicht einmal Augusto Ramos, Beamter des Innenministeriums im Ruhestand und begeisterter Experte im Damespiel, der in diesem Augenblick mit einem entscheidenden Zug seinem Partner Leminhos – dem von der Post – eine Dame und drei Steine wegschnappen wollte, vermochte dem Anblick des Steuerrades zu widerstehen. Er gab die Partie auf und gesellte sich zu der Gruppe. Die Gepäckstücke, geheimnisvolle Kisten mit roter Aufschrift: »Zerbrechlich! Nautische Instrumente!« lagen auf dem Bahnsteig verstreut. Ein riesiger Globus, eine aufgerollte Jakobsleiter. Der Kommandant hielt die Träger zu größter Vorsicht an. Dann kam die unvergessliche Klippenbesteigung.
    Am selben Nachmittag, als die Sonne sank und der Stadtplatz fast ganz im Schatten lag, erzählte Zequinha Curvelo denen, die die großartige Ankunftsszene verpasst hatten, wie ihm ein Schauer den Rücken heruntergelaufen sei, als er den Kommandanten hoch oben auf dem Felsen gesehen habe, unerschrocken, das Gesicht der Sonne zugekehrt, die Augen kühn aufs Meer gerichtet. Auf den Bänken und Stühlen unter den Tamarinden hörten die Rentiers und Privatiers aufmerksam zu und nickten beifällig, so dass Zequinha sich in Feuer redete:
    »Noch bevor er sein Haus betrat, wollte er das Meer sehen.«
    Die Visitenkarte, die Curvelo erhalten hatte, ging von Hand zu Hand. Der alte José Paulo, bekannt unter dem Spitznamen Marreco, der sich, von seinem Medikamentengroßhandel zurückgezogen hatte, meinte:
    »Was wird der Mann nicht alles zu erzählen haben …«
    »Diese Seeleute, in jedem Hafen ein Frauenzimmer …«, sagte Emílio Fagundes nicht ohne Neid.
    »Man braucht nur einen Blick auf ihn zu werfen, um sofort zu sehen, dass er ein Mann der Tat ist«, warf Rúi Pessoa, ein pensionierter Beamter des Landrentamtes, ein.
    Zequinha Curvelo, in der Hand das Buch, auf dessen buntem Umschlag der tapfere Seemann mit der dem Rock des Kommandanten ähnlichen Uniform zu sehen war, fasste jene ersten Eindrücke zusammen:
    »Ein Held, meine Freunde, der nun unter uns wohnen wird.«
    Der Abend sank, ohne Hast, geruhsam wie das Leben in Periperi.
    »Dort kommt er …«, verkündete jemand.
    Alle drehten sich unruhig um. Mit dem langsamen, würdigen Schritt eines Mannes, der gewohnt ist, in der langen Meereinsamkeit an Deck auf- und abzuschreiten, schlenderte der Kommandant durch die Gasse näher, er hatte seinen Seerock an, die Pfeife im Mund und auf dem widerspenstigen Haar eine bisher unbekannte, ankergeschmückte Schildmütze. Sein Blick glitt ins Unendliche, sicherlich weilte er bei seinen Erinnerungen, bei seinen toten Seeleuten, seinen in fernen Häfen zurückgelassenen Geliebten. Als er auf die Höhe der versammelten Einwohner kam, hob er die Hand zur Mütze, ein Gruß, der überschwänglich erwidert wurde. Und

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