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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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seinem Gedächtnis zusammensuchte, um sie vor sich hinzuträllern.
    »Musik ist nicht meine Stärke, aber die Melodie habe ich behalten …«
    Wie sollte man sie auch vergessen, Senhores, wenn sie in den Adern der Männer kochte, eine Musik, schmachtend wie das Laster? Johann erlag dem Laster und verlor den Kopf. Soraia war Musik und Tanz, sie war wie eine Krankheit, die ins Blut ging und es vergiftete, nackte Beine, funkelnde Edelsteine auf ihren Brüsten, eine Blume auf dem Bauch, wer hätte da nicht den Kopf verloren?
    Alle geben Johann recht, die Sorge des Kommandanten um seinen Besatzungskameraden ergreift sie und entreißt Johann den wollüstigen, kostspieligen Armen der Tänzerin. Ah! Diese Arme, diese Beine, diese Brüste … Jeder sieht Soraia im Raum. Sie tanzt, und ihre Nacktheit zwischen Rosen und Smaragden verbirgt den ausgezehrten Leichnam Doninhas, er verscheucht die Angst und den Tod.
    Am nächsten Vormittag, während der Beerdigung, war es von neuem der Kommandant, der den Todesbann von ihnen fernhielt, als er in einer prachtvollen Festuniform erschien. So hatten sie ihn noch nicht gesehen, vollkommen eingekleidet, mit silbernen Schulterstücken, die Hände in weißen Handschuhen, in der Hand eine neue, mit einem goldenen Anker geschmückte Mütze. Und die Auszeichnung auf der Brust. Er sagte:
    »Auf See würde die Angelegenheit rascher vonstattengehen: Man würde den Leichnam in eine Persenning wickeln, die Fahne über ihn breiten, ein Matrose würde das letzte Signal blasen, und der Leichnam würde ins Wasser gleiten. Rascher und schöner, finden Sie nicht?«
    »Haben Sie eine Bestattung auf See mitgemacht, Herr Kommandant?«
    »Was glauben Sie … Dutzende … ich habe sie mitgemacht und befehligt … zahllose …«
    Er schloss halb die Augen, die Nachbarn sahen in dieser schlichten Gebärde förmlich alle die Erinnerungen des Kapitäns vor seinem geistigen Auge vorüberziehen.
    »Ich erinnere mich noch gut an den armen Giovanni … Ein Matrose, der viele Jahre unter meinem Kommando gestanden hat. Wenn ich das Schiff wechselte, musterte auch er ab, da er sehr an mir hing. Nur war er eben Italiener, und wie Sie wissen, sind die Italiener sehr abergläubisch. So bat er mich immer wieder: ›Herr Kapitän, wenn ich auf See sterben sollte, möchte ich in der See meines eigenen Landes begraben sein.‹ Wenn sein Leichnam nämlich fremden Gewässern anvertraut werden würde, könne seine Seele keinen Frieden finden, so meinte er …«
    Der Trauerzug bewegte sich langsam dahin, und die Rede des Kommandanten klang daher ebenso stockend:
    »Als er starb, mein braver Giovanni, machte er mir viel Kopfzerbrechen …«
    »Woran ist er denn gestorben?«
    »Am Saufen. Woran hätte ein Giovanni sonst sterben sollen? Er soff wie ein Loch, er hatte viel Kummer mit seiner Familie. Na schön: Als er starb, sah ich mich gezwungen, zwei Tage lang vom Kurs ab zu segeln. Ab vom Kurs, Senhores, wissen Sie, was das heißt? Und nur, um den Leichnam in italienischen Gewässern in die See zu senken … Ich hatte es versprochen. Ich ging also vom Kurs ab, und wir liefen achtundvierzig Stunden …«
    »Und … der Tote …?«
    »Was?«
    »Hielt er es so lange aus, ohne …«
    »Wir legten ihn in die Kühlkammer. Bei der Totenfeier war er zwar hart wie ein gesalzener Stockfisch, aber noch tadellos. Ich bekam allerdings Mordsscherereien mit der Reederei, nur weil ich mein Wort gegeben hatte … Sie können sich kaum vorstellen …«
    Sie konnten es sich kaum vorstellen und stellten daher Fragen. Und so schritt Giovanni mitsamt seiner Besäufnis und seinem Familienkummer, die Haut tiefgebräunt von der Salzluft der sieben Meere, zwischen der Trauergemeinde und Doninhas Sarg durch die Straßen von Periperi. Der Kommandant erzählte von seiner Diskussion mit der knickerigen Reederei, er gab seine unerschütterlichen humorigen Antworten wieder, mit denen er das Recht seiner Seeleute verteidigte, in die heimatliche See gesenkt zu werden, ihr Recht, von Fischen mit vertrauten Namen gefressen zu werden. Bevor sie zum letzten Mal ins Wasser tauchten, konnten so ihre toten Augen in der Ferne noch einmal die Küsten ihres Vaterlandes sehen, und ihre Arme konnten sich ihnen entgegenstrecken. Aber es war verlorene Liebesmüh, das einem Vieh wie Menendez beizubringen, seinem übelgelaunten Reeder, einem früheren kleinen Angestellten, der sich durch Intrigen und krumme Touren zum Generaldirektor der Gesellschaft hochgestemmt

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