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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Periperi, auf seinen erregenden Begleitumständen beruhte ein großer Teil von Chico Pachecos Ansehen. Seine Rückkehr von wiederholten Reisen nach Bahia, wo er im Hause seines Sohnes abstieg, um den Gang seines Prozesses zu verfolgen, war jedes Mal ein Fest für die Rentner und Privatiers. Chico Pacheco liebte es, die Einzelheiten der Streitfrage zu erzählen, die jetzt am Obersten Landesgericht verhandelt wurde, und verstand sich auch darauf, er wetterte gegen die Amtsrichter, verdonnerte die Richter, verdammte Bürokraten und Politiker in Grund und Boden, er kannte die unbedeutendsten Einzelheiten aus dem Leben von Magistraten, Staatsanwälten, Strafverteidigern, von all denen, die aus dem einen oder anderen Grund etwas mit dem Fall zu tun hatten. Er war ein wandelndes Gedächtnis von Anekdoten, Sticheleien und kurzweiligen Einfällen.
    Sein nicht enden wollender Prozess war somit Gemeinbesitz der gesamten Bevölkerung von Periperi geworden. Solidarisch mit Chico Pacheco, empörten sich die Rentner und privatisierenden Kaufleute, wenn irgendein Antrag der Gegenseite den Fortgang des Prozesses hemmte, wenn eine neue Prüfung der Akten die Entscheidung hinausschob. Die Frau des Senhor Augusto Ramos, jene Liebhaberin von Geschichten, hatte sogar ein Gelübde getan: Sie würde in der Kirche des Herrn Jesus von Bomfim eine Messe lesen lassen, sofern Chico Pacheco seinen Prozess gewönne. Ein Jammer, dass Herr Dr. Siqueira zu jener Zeit nicht dort wohnte. Welche Hilfe hätte er nicht nur Chico, sondern auch der ganzen Bevölkerung mit seinen Kenntnissen und seiner Erfahrung angedeihen lassen können … Ein Mordsfest, das an den langen Nachmittagen geplant worden war, würde den Sieg feiern, und Chico Pacheco hatte versprochen, der Schampus würde in Strömen fließen, sobald das geforderte Geld anrolle.
    Diesmal kehrte er jedoch verbittert zurück. Es hatte so ausgesehen, als wäre die Entscheidung jeden Tag zu erwarten, der Prozess lag schon obenauf, als der Staat plötzlich neue Anträge stellte und die Verhandlung »auf die griechischen Kalenden« vertagt wurde, wie er beim Aussteigen aus dem Zug dem Bahnhofsvorstand erklärte.
    Er kehrte voll von Geschichten, Anekdoten, von Enthüllungen gegen Richter und Verteidiger zurück, er quoll förmlich über von Neuigkeiten. Jetzt bedurfte er natürlich der Solidarität und der aufmunternden Aufmerksamkeit seiner Nachbarn und Freunde. Und schon sah er sich einer zweiten unannehmbaren Situation gegenübergestellt: Der nagelneue Ruhm des Kapitäns auf großer Fahrt hallte in Periperi vernehmlich von einem Ende zum andern wider, sein Name war in aller Mund, seine Taten wurden alle Augenblicke eifrig besprochen. Was waren die Intrigen eines endlos verschleppten Prozesses neben Geschichten von Schiffbrüchen, von Seegewittern, von Leidenschaften? Wie waren sie »subjudice« mit Hongkong oder Honolulu zu vergleichen? Ganz zu schweigen vom Teleskop, vom Steuerruder, vom Chronometer.
    »Wissen Sie, was ein Chronometer ist, Seu Chico Pacheco?«
    »Will ich gar nicht wissen … Ihr sollt lieber die Schweinerei erfahren, die Herr Amtsrichter Pitanga sich geleistet hat, der, dessen Frau sieben Kinder geboren hat, allerdings von sieben verschiedenen Vätern. Herr Dr. Pitanga, der König der Gehörnten …«
    »Sie müssen seine Pfeifensammlung sehen. Dann werden Sie Ihren ganzen Fall vergessen …«
    Und so weiter, und so fort. Chico Pacheco zog alle Register seines Prozesses, man antwortete ihm mit Seekarten, mit arabischen Tänzerinnen, mit betrunkenen Seeleuten. Er führte einen Rekursantrag ins Feld, man parierte mit einem Abenteuer des Kommandanten.
    Er war gerade dabei, gegen Abend die verzwickten Novitäten seines Rechtshandels einer wenig begeisterten Zuhörerschaft auseinanderzusetzen, als eine plötzliche Belebung der Anwesenden verriet, dass der Kommandant mit dem Schritt eines Bezwingers der Meere im Anmarsch sei. Chico Pacheco musterte mit kleinen Augen den untersetzten vierschrötigen Kavalier, seinen üppigen Haarschopf, seine Hakennase und spuckte aus:
    »Kapitän auf großer Fahrt? Für mich ist dieser alte Knabe nicht mal imstande, ein Kanu zu befehligen … Sieht ja aus wie ein Kurzwarenhändler …«
    Vom Nachteil, schwach in Geographie zu sein, und vom Fehler, beim Pokern ständig zu bluffen
    »Wenn ich doch in Geographie nicht so schwach wäre …«
    Chico Pacheco brummte den Satz immer wieder und beklagte die vielen verbummelten Tage seiner Jugend, denn

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