Zwei Geschichten von der See
dunkles, anmutiges Geschöpf:
»Sie ist heute frisch aus Recife gekommen … Eine ganz fesche …«
»Sie kümmern sich ja nur um den Oberst … Hat die Marine bei Ihnen kein Ansehen?«, fragte der mit den blauen Augen und dem Gesicht eines Ausländers.
Alle am Tisch lachten. Die Dunkelhäutige kam sofort näher. Das Orchester legte sich mit einem argentinischen Tango ins Zeug, Roberto betrat mit Dorothy die Tanzfläche. In zehn Jahren Medizinstudium hatte er zwar nicht viel aufgeschnappt – böse Zungen wollten wissen, er habe das Doktordiplom durch sein Alter erworben, aber Walzer, Tango und Maxixe zu tanzen, das hatte er gelernt, trotz seiner Fettleibigkeit war er ein geborener Tänzer. Jetzt legte er mit Dorothy einen schwungvollen Tango aufs Parkett. Und sie benutzte die Gelegenheit, um Aragãos Herz mit tiefen Blicken und scheuem Lächeln zu entzünden. Der Kellner kam mit den Getränken, Frauen strichen um den Tisch, in der Hoffnung, gerufen zu werden. Die kleine Schwarze Muçu setzte sich auf den Schoß des blonden Fregattenkapitäns und kitzelte ihn am Hals. Carol glänzte, stolz auf ihr Haus, auf ihr Orchester, auf ihre kundig ausgesuchten Frauen, auf ihre höflichen Kellner, auf ihr Angebot an Getränken, auf die hohen Preise, auf ihre hochvornehme Kundschaft. Aber vor allem auf jene fünf Kunden.
Oberst Pedro de Alencar, aus Rio de Janeiro gebürtig, kinderloser Witwer, kommandierte das in der Stadt stationierte 19 . Jägerbataillon. Fregattenkapitän Georges Dias Nadreau, Hafenkommandant, Sohn eines französischen Vaters und einer Minenser Mutter, war verrückt aufs Pokern, auf dralle Schwarze und lustige Späße. Er brachte seine Zeit damit zu, sich mit seinen Freunden Schabernack, mitunter sogar gesalzene Scherze zu erlauben, war aber, wenn es darauf ankam, der zuverlässigste Freund. So hatte er ein Schild mit der Aufschrift »Das Kabarett ist das Heim der Bohemiens« zeichnen, rahmen und vor der Pension Monte Carlo aufhängen lassen. Dr. Jerônimo de Paiva, mit seinen einigen dreißig Jahren noch ein junger Mann, einst in Rio de Janeiro Anwalt ohne Klienten und unbekannter Journalist, war vom Gouverneur, seinem Verwandten, nach Bahia geholt worden, um dessen Reden zu verfassen. Als Kabinettschef erfreute er sich des höchsten Ansehens. Er hatte vor, Politik zu machen und aus der nächsten Legislatur als Bundestagsabgeordneter hervorzugehen. Leutnant Lídio Marinho, Ordonnanzoffizier im Regierungspalast, war die ersehnte Partie aller jungen heiratsfähigen Mädchen der Stadt. Sohn des berühmten Oberst Arnérico Marinho, des Feudalherrn des Staudamms vom Rio São Francisco und Senators der Landeskammer, wurde er von jungen Mädchen, die davon träumten, mit dem Leutnant auf Bällen und Kränzchen zu tanzen, hinter Vorhängen belauert, wenn, er in seiner schmucken Uniform auf der Straße vorbeiging. Als romantisch angehauchter Schwerenöter war Lídio gleichfalls der Liebling des Weibervolkes von Bordellen und Frauenpensionen, in denen er sich in eine Liebschaft nach der anderen stürzte.
Und schließlich war da Seu Vasco Moscoso de Aragão, auch Aragãosinho – der kleine Aragão – genannt, Chef der Firma Moscoso & Cia. Ltda., einer der mächtigsten der Unterstadt, die Trockenfleisch, Stockfisch, Weine, Butter, portugiesischen Käse, holländische Kartoffeln und die verschiedensten Produkte im ganzen Staat Bahia bis in den Süden und ins Hinterland, ja mit einem zahlreichen Vertreterstab bis nach Sergipe und Alagoas verkaufte. Vasco Moscoso de Aragão galt als einer der reichsten Männer des Staates, sein Unternehmen als eines der angesehensten und bestsituierten des Bahianer Großhandels.
Am Tisch dieser Gäste floss der Sekt in Strömen, hier wurde nicht gerechnet. An Stellung und Geld mangelte es keinem von ihnen. Unter diesen Männern fühlte Carol sich gut aufgehoben, als gehörte sie den offiziellen Kreisen, dem Großhandel an, als wäre sie eine Vertrauensperson des Regierungspalastes und der Banken und lenkte das Staatsleben mit. Suchte Dr. Jerônimo, seit jungen Jahren ein Freund reifer, erfahrener und korpulenter Frauen, nicht ihr allwissendes Bett auf? Wenn Georges ihn aufziehen wollte, antwortete der Kabinettschef nur:
»Ich bin kein Hund, der gerne an Knochen nagt. Ich mag auch kein grünes Obst. Aber Carol hat ihr Mysterium …«
Ihr Mysterium war die Weisheit einer umfassenden Erfahrung. Bestand ihr Prestige nicht auch darin, dass sie durch ihn ihren Neffen in die
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