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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Regierungsdruckerei hineinbugsiert hatte, den Sohn ihrer jüngeren Schwester, die in Garanhuns verheiratet war und deren Mann seine auf die schiefe Ebene geratene Schwägerin beleidigte? Sie hatte Jerônimo in einer tollen Nacht nur darum zu bitten brauchen, und schon war der Fall erledigt. Auf diese Weise beförderte sie Soldaten zum Korporal, manövrierte Schützlinge, Söhne der ihr befreundeten armen Familien, über Jerônimo in die Seemannsschule. Aragãosinho stand jedes Mal für sie gerade, wenn sie bei der Bank Geld für den Kauf eines weiteren Mietshauses aufnehmen wollte. Wenn die gesamte Bahianer Gesellschaft sich bei einem offiziellen Ball im Regierungspalast ein Stelldichein gab, stellte Carol das Menü zusammen, sie lieferte die Getränke, und die Kellner der Pension Monte Carlo bedienten die strengen Herren und die tugendhaften Damen. Still und heimlich herrschte sie mit Ja und Nein, sogar Politiker des Hinterlandes hofierten sie und baten sie um Fürsprache. Jene kleine Carolina aus Garanhuns, die sich eines Nachts fast von einer der Brücken Recifes ins Wasser gestürzt hatte, heute wohnte sie juwelengeschmückt in einer Etagenwohnung am Theaterplatz in Salvador da Bahia und saß lächelnd am Tisch ihrer fünf Lieblingsgäste.
    Von der Firma Moscoso & Cia. Ltda., einem merkantilen Kapitel mit einem wunden Punkt
    Die Firma war vom alten Moscoso, Vascos Großvater mütterlicherseits, gegründet worden und hatte bald Aufstieg und Wohlstand erlebt. José Moscoso war ein Lusitaner mit kaufmännischem Weitblick und strengen Grundsätzen gewesen, dessen Wort mehr galt als eine Unterschrift. Fünfzig Jahre lang hatte er ausschließlich für die Firma gelebt und nichts gekannt als den Weg vom Haus ins Geschäft und zurück. Gleichgültig gegen Annehmlichkeiten und Vergnügungen, maßvoll im Essen, in der Kleidung und in der Liebe, hatte er stets »ein gutes Beispiel gegeben« und geschuftet wie sein kleinster Angestellter. Seine Frau hatte ihm nur eine Tochter geschenkt; als er bald darauf Witwer wurde, begnügte er sich hin und wieder mit der schwarzen Köchin.
    Vasco löste ihn in der Leitung der Firma ab, die sich während jener fünfzig Jahre von einem bescheidenen Kontor zu einem dreistöckigen Gebäude am Fuß der Steilgasse Montanha entwickelt hatte. Im obersten Stock schliefen die Angestellten, in besseren Zimmern die guten Kunden aus dem Hinterland, wenn sie zu Besuch in der Hauptstadt weilten. Es wurde auch im Hause gegessen, feste Arbeitsstunden gab es nicht, Sonn- und Feiertage waren unbekannt.
    Da er als Dreijähriger seinen Vater und bald darauf seine Mutter verlor, die der Sehnsucht nach ihrem treulosen, leidenschaftlichen Mann nicht widerstanden hatte, wuchs Vasco beim Großvater auf, der ihn unmittelbar nach der Elementarschule, zehnjährig, ins Geschäft nahm, wo er, von der Pike auf, mit dem Ausfegen der Büro- und Lagerräume beginnen und anschließend wie ein x-beliebiger Träger Waren schleppen musste. Er schlief mit den anderen Angestellten im dritten Stock und nahm mit ihnen an der patriarchalischen Tafel unter dem Vorsitz des alten Moscoso die Mittags- und Abendmahlzeiten ein. Nach dessen Vorbild war seine erste Frau die schwarze Köchin, dieselbe, die auch der Großvater besuchte, und die Nächte mit der Schwarzen Rosa im fensterlosen Stübchen, in dem man vor Hitze fast umkam, waren seine einzige Freude. Der Großvater bot ihm außer seiner Hand, die er beim Empfang des allmorgendlichen Segens küssen musste, keinerlei Vergünstigungen.
    Solange er lebte, hielt der alte Moscoso ein wachsames Auge auf den Enkel und schüttelte oft mutlos den Kopf. Der Junge zeigte weder Lust noch Anlage fürs Geschäft, er war sorg- und achtlos und wusste nichts von Verantwortung. Als junger Mann wurde er als Reisender nach Jequié und Sergipe geschickt, jedoch mit betrüblichem Erfolg. Schon sah man die pessimistischen Voraussagen des Großvaters und des Prokuristen der Firma, Rafael Menendez, der die Tüchtigkeit in Person war, weitgehend bestätigt.
    Vascos Gastspiel in der berühmten Körperschaft der Handlungsreisenden, in jenen Tagen ein begehrter Broterwerb, war kurz, aber glänzend. Er verkaufte ganz nach Neigung und Sympathie und räumte praktisch zahlungsunfähigen Händlern, um deren Läden und Lager die anderen Verkäufer oder »Kometen« einen großen Bogen machten, Kredit ein. Unfähig, den kleinsten Wechsel einzuziehen, gewährte er den Kunden der Firma unsinnige Zahlungsbedingungen.

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