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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Pension Monte Carlo erstiegen, gelegen im weiträumigen ersten Stock eines Gebäudes des Theaterplatzes; es war das eleganteste und luxuriöseste Etablissement dieser Art in ganz Bahia, ausschließliches Eigentum der Carolina da Silva Medeiros, bekannter unter dem Namen Carol Goldzunge.
    Die fünf jungen Männer – allesamt in Anzügen aus weißem Leinen der besten Marke, elegante Strohhüte und elegante Spazierstöcke in der Hand, mit Gamaschen und gekräuselten Schnurrbärten, aufgekratzt und lärmend – umringten sie mit einer Flut von Umarmungen und Küssen, von Scherzworten und Galanterien:
    »Gegrüßt sei unsere Herrscherin und Herrin!« Ein hochgewachsener, kerngesunder Vierziger mit gebräunter Haut und getrimmtem Haar verbeugte sich.
    »Welche Ehre, Herr Oberst. Kommen Sie herein, das Haus gehört Ihnen.«
    Nun sank ein sympathischer, hochblonder Herr mit schelmischen blauen Augen theatralisch vor Carol in die Knie:
    »Ich lege mich Ihnen zu Füßen, Herrin meines Herzens …«
    »Bitte, keine Lügen, Herr Kapitän, ich kenne die Herrin Ihres Herzens …«
    »Schöner denn je …«, sagte der Dritte, ihr die an Liebkosungen gewöhnte, ringgeschmückte Hand küssend.
    Nun war es an ihr, sich zum Gruße zu verbeugen und ihn zu umarmen:
    »Doktor Jerônimo, seien Sie mir willkommen! Ihre Dienerin wartet auf Ihre Befehle …«
    Dann wandte sie sich an einen fast bartlosen Menschen, einen hübschen, stummen Jüngling:
    »Der Herr Leutnant wird mit Ungeduld erwartet …«
    Schließlich schloss sie den letzten der Gruppe, einen jungen Mann mit Adlernase, romantischem Haarschopf und einer leichten Schwermut in den liebenswerten Augen, warm und herzlich in ihre üppigen Arme:
    »Seu Aragão! Mein kleiner Herr Aragão! Sie sind hier gerne gesehen …«
    Der Blick des kleinen Herrn Aragão trübte sich noch mehr, trotz Carols hörbarer Wärme und Begeisterung in der Stimme. Sie bemerkte seine Wehmut, glaubte die Ursache zu kennen und flüsterte dem jungen Mann ins Ohr:
    »Seien Sie beharrlich, Sie werden am Ende siegen … Ich weiß, was ich sage …«, und lauter: »Ich höre Getuschel und Seufzer …«
    Der Oberst bemerkte lachend:
    »Mit unserem Aragão kann keiner mit. Da nützen weder Litzen noch Titel …«
    Auch an ihn wandte sich der Kellner mit flötender Stimme und weibischem Geschwänzel:
    »Ich habe wie immer den Ecktisch für Sie reserviert, Seu Aragão.«
    Man nahm Platz; Carol begleitete sie, das war ihr Beweis höchster Auszeichnung. Die Frauen an den anderen Tischen wurden lebhaft, bereit, zögernde Kunden auf den leisesten Wink der Hausherrin oder eines der Neuankömmlinge sofort zu verlassen. Der Leutnant hatte inzwischen eine junge Blondine umarmt, die bisher allein hinter dem Orchester versteckt gesessen hatte.
    Aragão ließ den Blick durch den Saal schweifen, bis er Dorothy sah. Dort saß sie, die Hände in den Händen Robertos, der sie mit einer Heftigkeit, die selbst für ein Freudenhaus übertrieben war, gegen seine feiste Brust gepresst hielt; seine Schweinslippen beschnupperten den Nacken des Mädchens. Dorothys Augen, rastlos und fast flehend, blieben auf Aragão haften, ein schüchternes Lächeln öffnete seine Lippen, Frühlingswärme durchdrang seine Brust. Jener Doktor Roberto Veiga Lima, ein aufgeblasener Fant, ein Tunichtgut und Sohn reicher Eltern, verdiente wirklich nicht die zerbrechliche und zugleich ungestüme Schönheit Dorothys, ihre erschrockenen Augen und jenes Liebesverlangen, das ihr Gesicht fiebrig übergoss.
    Ein so deutlicher Beweis von Wertschätzung auf Seiten der erfahrenen Carol war weder zufällig noch kostenlos; die fünf Herren, die nun am Tisch Platz genommen hatten und Getränke bestellten, beehrten und beschützten ihr Haus, sie waren die Crème Bahias, die umschwärmtesten Lebemänner unter den vielen, die Cafés, Spielbänke, Bordelle und Frauenhäuser besuchten. Um sie scharte sich ein großer verschwenderischer Kreis lebenslustiger Männer, die Vornehmsten der Stadt. Aber die fünf waren unzertrennlich, sie trafen sich täglich vom Spätnachmittag an, beim Billardspiel, beim Biertrinken, den Abend verbrachten sie meistens bei Pokerpartien und Abendessen in Kabaretts.
    »Die fünf da sind die Herren des Staates …«, hieß es – und zwar mit einigem Recht –, wenn sie den Regierungspalast, ein Ministerium, eine Bar oder die Pension Monte Carlo betraten.
    Carol flüsterte dem Oberst etwas ins Ohr und deutete dabei auf ein hochgewachsenes,

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