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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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In Estância, einem Städtchen des Staates Sergipe, dessen Firmen sich in einem Tag leicht abklappern ließen, blieb er eine Woche, entzückt von den schattigen Gassen, von den farbenfrohen Häusern, vom Schwimmen im Fluss Piautinga, von den hübschen Mädchen am Fenster oder am Klavier und von den geschmeidigen Bewegungen Otálias, einer Pensionsmutter, die auf jeden neuen Reisenden verrückt war. Nie hatte ein Verkäufer José Moscosos eine so kurze und von solch vernichtenden Ergebnissen begleitete Reise unternommen. So erwies es sich als notwendig, auf dieser Reiseroute, die als die leichteste von allen galt, einen erfahrenen Verkäufer einzusetzen, um den alten Ruf der Firma wiederherzustellen, der durch den jungen »Kometen«, der offensichtlich entschlossen war, dem Beruf ein neues Gesicht zu geben, ernstlich gelitten hatte. Dafür hinterließ er in sämtlichen Bordellen der von ihm besuchten Städte einen glänzenden Eindruck, nicht nur im Namen der Firma, sondern auch in eigener Person. Er probierte alle Frauen aus und entschädigte sich so für die Kerkerjahre im Geschäftshaus am Fuß der Steilgasse Montanha.
    Melancholisch den Kopf wiegend, steckte der alte Moscoso ihn von neuem ins Kontor, wo er sich weiterhin wenig nützlich machte: Nützlich machte er sich nur als Begleiter von Kunden aus dem Inneren des Landes, die als Wohngäste der Firma die Hauptstadt besuchten. Für diese Aufgabe war er als manierlicher junger Mann, als angenehmer Gesellschafter und Begleiter bei einem nächtlichen Bummel allerdings glänzend geeignet. Aber auch solch eine Nachtschwärmerei hatte ihre Grenzen, denn wenn der alte Moscoso auch einem Kunden nicht mit der Uhr in der Hand vorschreiben konnte: »Um acht in der Falle, und keine Minute später« – so wandte er dieses Prinzip auf den Enkel mit einer Strenge an, die sich auch durch den auf der sinnlichen Oberlippe des jungen Mannes sprießenden Flaum nicht erweichen ließ. Gar nicht zu reden von dem auf das reine Fahrgeld beschränkten Vorschuss.
    Aber selbst auf die Kunden übte der alte Moscoso hinsichtlich der Arbeitsstunden und der für Wein und Weiber genehmigten Spesen einen gewissen Druck aus und wurde nicht müde, auf den geringen Kredit hinzuweisen, den Männer von fragwürdigen Gewohnheiten, Stammgäste von Bars und anrüchigen Häusern in seinen Augen verdienten. »Wie kann ein Geschäftsmann Vertrauen genießen, der säuft und hurt?« Diese Frage zielte darauf ab, die von Geschäftsleuten des Hinterlandes monatelang gewälzten und genährten Pläne, während des Besuchs der Hauptstadt nach Herzenslust zu bummeln, von vornherein zu vereiteln. Aber auch so benutzten die Kunden und Vasco jede Gelegenheit, unter Umgehung der empfohlenen Spaziergänge zu malerischen Plätzchen die gastliche Luft der Bordelle aufzusuchen, wo der junge Erbe begann, sich dauerhafte Kenntnisse anzueignen.
    Der alte Moscoso, den Zwicker auf der Nase, im schwarzen Lüsterjäckchen über die Korrespondenzmappen der Firma gebeugt, sah zu seinem Enkel hinüber, der, die Augen auf den durchs Fenster erspähten Horizont geheftet, über einem begonnenen Brief träumte. Der enttäuschte Blick des Firmenchefs traf die strenge kritische Miene seines Prokuristen Rafael Menendez; der Alte wiegte den Kopf, sein erster Mitarbeiter machte ein bedauerndes Gesicht. Nun liebte José Moscoso seine Firma weit mehr als seine Familie, die sich im Übrigen auf den unzuverlässigen Enkel beschränkte, der phantasievoll war wie sein Vater, jener gesprächige, gewinnende Aragão, ein berüchtigter Lügner, der ihm seine einzige Tochter weggeschnappt und fünf Jahre auf seine Kosten gelebt hatte. Der ihn auch noch nach seinem Tode viel Geld gekostet hatte, da die törichte Witwe für den »vergötterten Gatten« eine Beerdigung erster Klasse und eine Marmorgruft beanspruchte. Während in der Auffassung des erleichterten Schwiegervaters sieben Handbreit Erde schon zu viel Ehre gewesen wären für den unerwünschten Schwiegersohn, der unter seinen Freunden »Schwätzer Aragão« hieß, weil er den lieben langen Tag nichts anderes tat. Ein spöttischeres, schamloseres Subjekt war nach Auffassung des alten Moscoso nie auf der Erde herumgelaufen. Unempfindlich für Winke und Anspielungen, lachte er dem alten Herrn ins ehrenwerte Angesicht, als dieser ihm nach beendeter Hochzeitsreise vorschlug, in seiner Firma zu arbeiten. Für wen halte ihn der Herr Schwiegervater?, fragte er halb belustigt, halb beleidigt. Etwa

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