Zwei Geschichten von der See
versicherte Vasco.
Der alte Schwarze dankte ihm mit einem Rat:
»Der alte Gringo taugt nichts, Seu Aragãosinho. Halten Sie die Ohren steif, sonst stellt er Ihnen noch ein Bein.«
Am nächsten Tag erschien Vasco frühmorgens im Kontor, was alle Jubeljahre einmal vorkam. Er rief Menendez zu einer Besprechung, er gab sich förmlich und reserviert, die Angestellten begannen zu tuscheln. In dem nunmehr Vasco eingeräumten Chefzimmer des alten Moscoso hörte man das erregte Organ des jungen Firmeninhabers. Menendez’ Stimme war nicht zu vernehmen, nie entschlüpfte ein geschrienes oder auch nur lautes Wort seinen harten Lippen, auch dann nicht, wenn er einen nachlässigen Untergebenen in der kränkendsten Ausdrucksweise anherrschte.
Vasco fiel es nicht leicht, seinen Willen durchzusetzen. Er hob die Stimme, sagte, es sei unmenschlich, den alten Giovanni zu entlassen, Menendez habe kein Recht, einen Mann, dessen ganzes Leben der Arbeit, dem Wohlstand seines Hauses gegolten habe, von heute auf morgen an den Bettelstab zu bringen. Menendez lächelte sein kühles Lächeln, nickte zustimmend, aber beharrte auf seinen Grundsätzen: Wenn ein Angestellter seiner Arbeit nicht mehr gerecht wird, bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu entlassen und einen anderen an seine Stelle zu setzen. Das war die Spielregel, und die wandte er an. Wenn er für Giovanni eine Ausnahme mache, wenn er ihm sein Gehalt weiterzahle, würden andere Angestellte die gleiche Behandlung fordern, und Seu Vasco – nun setzte Menendez die achtungsvolle Anrede vor den Namen des neuen Firmenchefs, nachdem er ihn über zwanzig Jahre lang mit Aragãosinho angeredet hatte – könne sich das verhängnisvolle Ergebnis einer solchen Politik an seinen fünf Fingern ausrechnen. Nein, er könne nur so handeln und nicht anders.
Vasco wollte nichts von Grundsätzen und Firmenpolitik wissen, er fand die Entlassung Giovannis eine Grausamkeit, eine erbärmliche Handlungsweise. Nun wusch Menendez seine Hände in Unschuld: Seu Vasco war der Chef des Hauses, und seine Entscheidung würde befolgt werden. Er möge es sich freilich zweimal überlegen, bevor er eine Regel abschaffte, die das gesamte kaufmännische Leben lenkte: Er gefährde damit nämlich die eigentliche Struktur der Firma. Abgesehen davon, dass Vasco nicht der einzige Geschädigte sei, die anderen Teilhaber würden auch davon betroffen werden. Von sich, Menendez, wolle er nicht reden, ihm liege nur daran, ein Prinzip zu verteidigen.
Vasco verlor den Kopf und begann zu toben. Schließlich besitze er die Mehrheit der Anteile und könne daher allein entscheiden. Der Spanier stimmte noch verbindlicher zu. Und als er die Wut des Chefs sah, schlug er eine Formel vor, die beide Teile befriedigen würde. Giovanni war entlassen, an dieser Entscheidung war nicht zu rütteln. Aber sie beide, Seu Vasco und er, Menendez, würden für seinen Unterhalt aufkommen und ihm ein Monatsgeld zahlen, mit dem der Schwarze Essen und Wohnen bestreiten könne. Auf diese Weise sei der Fall zu regeln. Dieser Vorschlag war der Beginn langer Verhandlungen, denn der alte Schwarze wollte unter keinen Umständen den Lagerschuppen verlassen und schon gar nicht in Vascos Haus übersiedeln. Schließlich kam man zu einem Vergleich: Giovanni blieb als Nachtwächter bei halbem Gehalt auf seinem Posten, während Vasco die andere Hälfte bezahlte. Als der Schwarze sich bedankte, wiederholte er seinen Rat:
»Patrãosinho – kleiner Chef haben Sie ein Auge auf den Galizier! Der Bursche ist ein Miststück und taugt nichts …«
Dank der Person des Senhor Menendez sah Vasco sich tatsächlich der Pflichten und Sorgen der Geschäftsleitung enthoben. Nur zur Entlastung seines Gewissens schaute er gelegentlich ins Kontor, wechselte ein paar Worte mit dem Spanier, hörte abwesend zu, wenn dieser von Geschäften sprach, und besuchte Giovanni im Lagerhaus. Aber er blieb nie lange, immer hatte er eine Verabredung mit einem seiner alten Freunde, mit jener Gruppe, zu der er jetzt gehörte; oder er wurde von einer neuen Dirne, seiner jüngsten Eroberung, in einem Bordell erwartet.
Als Junggeselle verliebte er sich leicht, rechnen konnte er nicht, er verschwendete, vergeudete das Geld mit vollen Händen und ließ es sich nicht nehmen, in Bars und Kabaretts stets die Zeche zu bezahlen. Bei dem Weibervolk war er höchst beliebt, und wenn er sich in eines von ihnen verguckte, ging er gleich aufs Ganze, richtete der Neuerwählten eine Wohnung ein und
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