Zwei Geschichten von der See
Ich weiß nicht, ob der Leser meine Arbeit kennt, wenn nicht, darf ich ihm die Lektüre ohne falsche Bescheidenheit empfehlen, da sie viel gelesen und allgemein anerkannt worden ist.
Im Übrigen beweist der Fall dieses Buches nochmals die Wichtigkeit, eine Doktorwürde zu haben. Ich schrieb es, um eine Lücke auszufüllen und eine Ungerechtigkeit gutzumachen: Es wird so viel über die Präsidenten der Republik geschrieben, besonders, wenn sie noch am Leben sind, ihr Lob wird in den höchsten Tönen gesungen. Die Vizepräsidenten hingegen fallen der Vergessenheit anheim, es sei denn, dass sie an die Regierung kommen. Wer hat zum Beispiel die vollständige Liste der Vizepräsidenten der Republik im Kopf? Wer weiß noch, wer Vizepräsident zur Regierungszeit von Prudente Morais oder Hermes da Fonseca war? Ich möchte bezweifeln, dass einer mit diesem Wissen aufwarten kann. Das beweist zur Genüge, wie gelegen mein Buch kommt.
Auch beflügelte mich zu dem mühsamen Unternehmen der damals vom verdienstlichen Historisch-Geographischen Institut eröffnete Wettbewerb für historische Monographien mit seinem bescheidenen Geldpreis und der Drucklegung der prämierten Arbeit auf Kosten des Instituts. Der Lorbeer lockte mich; dank der Katarakte und meinem Gevatter erkämpfte ich mir die notwendige Zeit zu meiner Aufgabe und stürzte mich auf die Vizes. Ich leistete ganze Arbeit – man verzeihe mir meine Eitelkeit! – und schuf ein Werk, in dem der interessierte Leser den vollständigen Namen, Abstammung, Tag und Ort von Geburt und Tod, Schul- und Hochschulbildung, die ausgeübten Ämter, die verwirklichten Werke und die hervorstechenden Taten eines jeden Vizepräsidenten findet. Ich habe nicht einmal die Namen der Ehefrauen und Kinder vergessen, und sogar einige Enkel sind erwähnt. All das hat mich wahnsinnige Mühe gekostet und mir in Anbetracht der staubigen Staatsbibliothek einen hartnäckigen Katarrh eingetragen.
Nun gut: Ich habe mich an dem Wettbewerb beteiligt, gewiss, ihn spielend zu gewinnen, und musste zu meiner Enttäuschung erleben, dass der Preis dem einzigen anderen Bewerber, Herrn Doktor Epaminondas Tôrres für seinen Essay über die Sabinada – die Separatistenrevolution Bahias zur Zeit der Regentschaft – zugesprochen wurde. Selbst an Seitenzahl ist seine Monographie der meinen unterlegen: Sie umfasst nur vierzig spärliche Bogen, mithin genau die Hälfte meines Buches. Und warum gewann er dank dieser haarsträubenden Ungerechtigkeit den Preis? Der Leser wird es sogleich erfahren. In meiner Eigenliebe verletzt, ging ich schnurstracks ins Institut und sprach bei dem Herrn Sekretär vor. Der blickte mich unter seinen Brillengläsern an und erwiderte:
»Wer sind Sie, um hier hereinzuwehen und von Ungerechtigkeit zu faseln? Kennen Sie etwa nicht Herrn Dr. Epaminondas Tôrres, wissen Sie nicht, dass er einer unserer hervorragendsten Anwälte ist? Und was für einen Titel haben Sie?«
Sehen Sie? Mein Irrtum bestand darin, gegen einen Bakkalaureus, gegen einen regelrechten Doktor angetreten zu sein. Welche Titel besaß ich? Keinen, außer, dass ich in den Eckspalten von Zeitungen und Zeitschriften ein paar Sonette veröffentlicht hatte. Ich schluckte die Beleidigung hinunter und versuchte, das Institut zumindest zum unentgeltlichen Druck meines Buches zu bewegen, da man mir den Preis weggeschnappt hatte. Gottlob stieß ich auf Entgegenkommen, die edlen Historiker mussten ein schlechtes Gewissen haben. Aber der Direktor der Staatsdruckerei, die die Werke, das meine und das prämierte, auflegen sollte, führte die Männlein vom Institut ganz schön an der Nase herum und schickte die Manuskripte nie in die Druckerei; wenige Monate darauf verließ er seinen Posten, und der neue Direktor wollte von der Sache nichts mehr wissen. Auf diese Weise wurde die Arbeit des Herrn Dr. Epaminondas nie veröffentlicht, so dass sie nicht mit der meinen verglichen werden konnte, was mich zu der Annahme verleitet, dass hier eine grobe Schiebung vorgelegen haben muss.
Was die »Vizepräsidenten der Republik« betrifft, so gab ich das Buch auf eigene Kosten durch die Graphische Anstalt des Senhor Zitelmann Oliva heraus, der mir zwar einen unverschämten Preis abverlangte, mir aber günstige Zahlungsbedingungen einräumte. Ich schwitzte, um die Raten abzuzahlen, dafür kam ein hübsches Bändchen zustande, zweiundneunzig Seiten »nützlicher Information«, wie der gelehrte Verfasser der »Geschichte von Bahia«, Dr. Luiz
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