Zwei Geschichten von der See
Hauptstadt zu bleiben gedachte. Er musste jedoch eine geschlagene Woche dort verweilen, so belegt waren die Stunden der hervorragenden Pariserin, die in Bahia kraft der Kultur und Zivilisation des Ewigen Frankreich Einzigartiges zur Verfeinerung der brasilianischen Sitten leistete. Der Gutsbesitzer brauchte somit eine Woche und ein Conto de Réis, zu jener Zeit ein Vermögen, für Hin- und Rückreise, Hotel, Verpflegung und andere Spesen; nach seinen im Augenblick der Rückreise geäußerten Worten war es jedoch »billig, ich hätte gerne eine weitere Woche und ein weiteres Conto zugegeben«, ein Zeugnis, das jedes Lob auf die Kundigkeit der Madame Lulu und des Hauses Sabina überflüssig macht.
Der Hafenkommandant schlug nicht mehr und nicht weniger vor als einen Überfall der freiwilligen siegreichen Entführer Dorothys auf Sabinens Bordell, eine gegen die öffentliche Neugierde durch hermetisch verschlossene Fenster verteidigte Festung, deren Türe sich nur Stammgästen, Freunden und Bekannten oder aber empfohlenen Personen öffnete. Nach erfolgreichem Einfall, Kampf und Sieg sollte die gesamte weibliche Besatzung einschließlich Madame Lulu in die Pension Monte Carlo abgeführt werden, dort sollten die »Fremdarbeiterinnen« Carol zur gebührenden Ausbeutung als Kriegssklavinnen übergeben werden. Carol verdiene das und noch mehr, behauptete der Kapitän Georges, sein Glas auf die Herzens- und Charaktereigenschaften der heiteren Gastgeberin erhebend, die gütig und selbstbewusst in ihrem österreichischen Schaukelstuhl lächelte.
Es fiel den Freunden nicht leicht, dem Hafenkommandanten Georges seine kriegerischen Pläne auszureden. Dafür ließ er sich aber nicht davon abbringen, Carol zur höchsten Ehrung die Füße in Champagner zu baden.
Während die Freunde auf diese Weise den glücklichen Ausgang des geplanten Raubes begingen, schloss in jenem entlegenen Häuschen am Rande Amarelinas, das, umweht von den Winden des Meeres, umschimmert von dem durch den romantischen Leutnant Lídio Marinha eigens bestellten Vollmond, vor Tagen gemietet worden war, schloss – sage ich –, das Branden der Wellen gegen die Felsen im Ohr und das erregende Aroma der Dünung in der Nase, Vasco Moscoso de Aragão wie ein ungeduldiger Bräutigam in der Hochzeitsnacht den zerbrechlichen Körper Dorothys in die Arme, nachdem er das zarte Brathenderl, den englischen Schinken, das kalte Roastbeef, Äpfel, Birnen und spanische Trauben unangetastet gelassen und nur die Lippen mit Champagner benetzt hatte. Ein anderer uralter ungestümer Durst und Hunger verzehrten ihn, sie waren nicht mit Brot und Wein zu befriedigen, es war Durst nach Küssen und Liebkosungen, Hunger nach Hingabe und Besitz, nach Leben und Sterben in den Armen der eroberten Frau.
Zur selben Zeit, zornbebend hinter Schloss und Riegel im väterlichen Haus in Nazaré, fragte der Doktor Roberto Veiga Lima sich, was dieses furchtbare Geheimnis zu bedeuten habe: Bis an die Zähne bewaffnet waren auf Strumpfsohlen Schwarzmaskierte am helllichten Mittag in die Pension Monte Carlo eingedrungen und hatten ihn unter Drohungen und Beschimpfungen aus Dorothys Bett gezerrt. An jenem Tag hatte er dem Tod ins Auge gesehen, noch immer fühlte er einen Kälteschauer im Herzen.
Das war um die ruhige Mittagsstunde geschehen, als die Pension sich mit Stille und Frieden füllte. Die Frauen promenierten in den Straßen, machten Besorgungen oder gingen – es war ein Donnerstag, Tag der Matinée, ins Kino. Die Kellner kamen erst gegen fünf Uhr nachmittags, selbst Carol nutzte nicht selten diese Pause im täglichen Betrieb, um auf die Banken zu gehen oder bei ihren Mietern die Monatsmiete einzukassieren. Nur Dorothy ging nie aus, da Roberto ihr jeden Spaziergang oder Zeitvertreib ohne seine Begleitung strengstens untersagt hatte. Aus diesem Grund sah er sich gezwungen, täglich zur selben Stunde zu kommen, um sich zu Dorothy ins Bett zu legen und sich für das ausgegebene Geld zu entschädigen. Mitunter führte er sie zum Abendessen aus, hinterher tanzten und tranken sie in der Pension. Erst gegen morgen verließ er sie, um ins Elternhaus, in dem er wohnte, zurückzukehren. Eine von ihm bezahlte Frau wurde kurzgehalten und dauernd beschäftigt.
An jenem Tag war Carol in der Pension geblieben und ruhte im Salon in ihrem Schaukelstuhl aus. Auch eine ihrer Pensionärinnen – die gerissene Mimi, fast noch ein Kind – war in einem Zimmer beschäftigt. Es war der Tag des Amtsrichters
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