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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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Periperi so folgenschweren Lesart Chico Pachecos zu unterbrechen, um aus eigener Erfahrung feierlich zu erklären, dass die Frage mit den Titeln und Patenten kein Kinderspiel ist. Noch heute, wo die Zeiten andere geworden sind, ist es eine Sache, ein Herr Doktor oder ein Offizier, eine andere jedoch, ein armer Teufel ohne Diplom zu sein. Für die Ersteren gelten alle Vorrechte und Vergünstigungen, für die anderen Sterblichen nur das harte Gesetz. Die mit einem Diplom Ausgezeichneten haben sogar ein Anrecht auf Sonderhaft, von den Offizieren gar nicht zu reden, die der Form halber im Regimentskasino inhaftiert werden.
    Heute gibt es Leute, die die Herren Doktoren verspotten, die Herren Advokaten verhohnepipeln und meinen, der Akademikerring sei kein Beweis für Zuständigkeit. Ich habe sogar in einer Zeitung einen doppelt und dreifach belegten Artikel gelesen, der A plus B bewies, das ganze Verhängnis Brasiliens liege in den Herren Bakkalaurei. Das mag sein, auch ich denke so, streite jedoch nicht, sondern achte die Freiheit der Meinungsäußerung. Dagegen möchte ich wetten, dass der Verfasser des besagten Aufsatzes ein Doktor irgendeiner Disziplin oder ein aktiver Offizier ist, denn wo würde er sonst den Mut zu solchen Behauptungen hernehmen? Sich mit einem Herrn Doktor messen zu wollen ist Widersinn, ist reiner Wahnsinn, dafür bin ich der beste Beweis.
    Daher gebe ich dem Kommandanten völlig recht. Bevor Chico Pachecos Version nicht restlos bewiesen ist, entziehe ich Vasco Moscoso de Aragão seinen Titel nicht; ein Geschichtsschreiber darf keine überstürzten Schlüsse ziehen: Der Anlass von Vascos Schwermut scheint vollauf berechtigt zu sein. Selbst reich und wohlbestallt, hat er sicherlich Demütigungen und Ärgernisse zu erleiden gehabt, eben weil ihm eine Doktorwürde oder ein Majorsrang fehlt, weil er keine akademische Ausbildung hinter sich hat, nicht einmal jene im Huschhusch durchlaufene von Tagedieben, die nie im Hörsaal gesehen worden sind wie etwa Otoniel Mendonça, Telêmaco Dóreas Busenfreund, vor dessen Niedertracht ich den hervorragenden Herrn Dr. Alberto Siqueira zur richtigen Zeit zu verteidigen wusste. Aber dieser Analphabet ist tatsächlich Assessor. Während seiner Studienjahre stand er sich im miesesten Hurenviertel die Füße in den Leib und zog am Eingang zur Buchhandlung »Zivilisation« der Rua Chile über andere Leute her. Die Herren Professoren bekamen ihn während der ganzen Zeit kaum zu Gesicht, womit die verehrungswürdigen Meister freilich nicht viel versäumt haben. Indessen: Durch ein wenig Büffeln, durch Wiederholung von Prüfungen, durch etwas Schmu und Schmus bestand er sein Staatsexamen, und mit seinem Assessortitel bewaffnet, ergatterte er sich eine Staatsstellung – eine von der besten Sorte, bei der man praktisch keinen Finger rühren muss – und vertrieb sich im Übrigen nach wie vor lästernd seine Zeit in der Rua Chile. Kaum eine Stunde täglich widmete er dem Staatsdienst. Da auch das ihm als übertriebene Zeitvergeudung erschien, heuchelte er bald eine Durchlöcherung des linken Lungenflügels, worauf man ihm anstandslos Krankenurlaub gab, den er bis zum heutigen Tag genießt, um fett und rosig mit seiner Gegenwart die Luft von Periperi zu verpesten.
    Nun sehe man sich folgenden Unterschied an: Nur weil ich keinen Doktortitel besitze, habe ich mich wie ein herrenloser Köter quälen müssen, um in meinem Amt einen sechsmonatigen Urlaub durchzudrücken; die Ärzte waren von unglaublicher Unnachgiebigkeit, sie lobten mein Sehvermögen über den grünen Klee, sie hatten nie so gute Augen untersucht. Ein Freund hatte mir versichert, der Kniff mit der Augenerkrankung ziehe immer, tief bewegt würden die Ärzte ohne Untersuchung sofort alle notwendigen Unterschriften leisten. Unsinn: Wenn sie die Augen meines Freundes nicht untersuchten, so nur in Anbetracht seines zahnärztlichen Diploms, das, wenn auch ein Doktortitel zweiter Klasse, trotzdem seine Vorteile bietet. Ich kam mit meinem Antrag nur zu Rande, weil ich zufällig entdeckte, dass einer der Ärzte der Neffe eines Gevatters von mir ist. Ich warf ihm also den Onkel mitsamt meinem Gesuch an den Kopf, und schon stellte der Schaumschläger schwere Katarakte fest, die womöglich zu meiner völligen Erblindung führen konnten. Ich bekam sechs Monate Urlaub und dann weitere sechs. Auf diese Weise konnte ich mich auf Staatskosten der Abfassung meines Werkes über die »Vizepräsidenten der Republik« widmen.

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