Zwei Geschichten von der See
bin Doktorin« – sehen Sie? Hab ich recht oder nicht? Unsere süße Dondoca gibt sich nicht damit zufrieden, Doktorin, emeritierte Professorin, Magister inter pares in der Wissenschaft der Liebe zu sein, sie muss auch noch als Doktorin in Nadel und Schere gelten.
Heute hätte der Herr Kommandant keine Probleme, die das Leben versauern. Mit ein paar Nickeln würde er in vier oder sechs Monaten Doktor in Public Relations, im Haarschneiden, im Verwaltungswesen oder in Publicity sein.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde ich in der Hauptstadt einem jungen Mann von ungeahnter Redseligkeit und Selbstgefälligkeit vorgestellt. Er war »Doktor in Publicity«, erläuterte er mir gnädig, nach einer Ausbildung in São Paulo und New York, einhundertundzwanzigtausend Cruzeiros im Monat, du lieber Himmel! Er versuchte mich davon zu überzeugen, dass er es sei, der mein Leben, meine Einkäufe, meinen Geschmack lenke, und zwar durch das Wunder des Jahrhunderts: die Wissenschaft und Kunst der Publizität.
Der nobelste aller modernen Berufe – so versicherte und bewies er mir – sei der, von dem Produktion, Verbrauch und Fortschritt des Landes abhängen. Die höchste Form der Literatur und der Kunst, der Gipfel der Dichtung sei dies: die Reklame, die Geschäftsreklame. Homer und Goethe, Dante und Byron, Castro Alves und Drummond de Andrade seien Anfänger im Vergleich zu einem jungen Publicity-Barden, der sich auf Gedichte über Seife, Zahnpasta, Eisschränke, Einbauküchen und Plastikhandtücher spezialisiere. Nach der maßgeblichen Auffassung des Doktors der Werbewissenschaft sei das größte Gedicht unserer Zeit, ein Meisterwerk und Himmelsblitz des dichterischen Genies, von jenem Werbefachmann zur Absatzförderung der »Zäpfchen des fröhlichen Anus« verfasst worden. Es sei ein erhabenes Gedicht durch seine Eingebung, durch seine Formvollkommenheit, durch seine Kraft, mit der es den Hörer ergreift, und habe den Umsatz der hochverdienten Suppositorien um 178 % gesteigert. Das sei die moderne Muse!
Wäre der Kommandant heute noch am Leben, er könnte seinen Doktor der Publizität sogar durch Korrespondenz machen.
Vom Raub Dorothys und einem Amtsrichter in Unterhosen
Die Entführung Dorothys wurde von den Streitkräften, dem Oberst Pedro de Alencar und dem Hafenkommandanten Georges Dias Nadreau geplant unter tätiger Mitarbeit des Staates, der in dem Komplott durch den Kabinettschef und den Ordonnanzoffizier des Gouverneurs vertreten war. Das Oberkommando über die verwickelte Operation lag in den Händen Carols, die allen großen Strategen der Geschichte ebenbürtig war in der umsichtigen Planung, in der genauen Kenntnis der Örtlichkeiten, in der haargenauen Ausarbeitung der Einzelheiten und schließlich in der Auswahl der geeigneten Männer für jede Phase des streng geheimen, schwierigen Unternehmens. Wenn auch die Idee des Überfalls vom Hafenkommandanten Nadreau ausgegangen war, so ist ihr glücklicher Ausgang fraglos Carol zu verdanken. Der Erfolg und Carol wurden dann auch in einer Sektorgie gefeiert, die fast in die Annalen der Kabaretts und Bordells von Salvador eingegangen wäre, da der Kapitän Georges angesichts der großartig gelungenen Entführung Dorothys das Festprogramm unter Nutzung seiner Erfahrung und der allgemeinen Begeisterung durch eine Neufassung des »Raubs der Sabinerinnen« zu beleben gedachte.
In Nummer 96 der Steilgasse Montanha lag nämlich das Bordell Sabinas, eine in Ausländerinnen spezialisierte Pension, die mit Französinnen, Polinnen, Deutschen, geheimnisvollen Russinnen und einer Ägypterin aufzuwarten hatte. Einige der Mädchen waren in den weiten Grenzen Brasiliens geboren worden, andere hatten nach langer, in Europas Häfen begonnener Laufbahn nach Abstechern in Argentinien und Uruguay endlich vor Sabinas Busen Anker geworfen. Unter ihnen stach nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch wegen ihres erlesenen handwerklichen Könnens die berühmte Madame Lulu hervor, garantierte Französin mit dreißigjähriger Erfahrung, die so berühmt und beliebt war, dass ihre Kunden sich auf einer Warteliste eintragen mussten. Sie mochte noch so rasch arbeiten, stets blieb eine gewisse Anzahl von Klienten bis zum nächsten Tag übrig. So erzählte man sich von einem Herrn Obersten aus dem Hinterland, einem Fazendeiro aus der Gegend von Amargosa, der ausdrücklich für ein Tête-à-Tête mit der ach so begehrten und bewanderten Kurtisane nach Bahia gereist war und nur zwei Tage in der
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