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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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hinüber. Barfleur anzulaufen bedeutete für ihn, zwei weitere Tage nach Norden zu reiten, um seine Eltern zu besuchen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte er den größeren Hafen von Boulogne gewählt. Unglücklicherweise war das Großsegel seines Schiffes bei der letzten Überfahrt nach England der Länge nach gerissen und erforderte umfangreiche Ausbesserungsarbeiten, wodurch er gezwungen war, das nächste Schiff zu nehmen, bevor die Winterstürme einsetzten. Er wollte Weihnachten mit seinen Eltern verbringen und auf seinen Ländereien in der Normandie nach dem Rechten sehen, ehe er wieder nach England zurückkehrte. Er hielt sich nicht gern lange in der Normandie auf, da ihn mit diesem Land zu viele schmerzliche Erinnerungen verbanden. Als sein Schwager Stephen von seiner bevorstehenden Reise nach Boulogne erfuhr, hatte er Talvas gebeten, der Kaiserin Maud einen Besuch auf ihrer Burgfeste in Torigny abzustatten, um etwas über die Pläne der einzigen legitimen Tochter von König Henry I. in Erfahrung zu bringen, die als Unruhestifterin berüchtigt war. Maud, eine Enkelin von Wilhelm dem Eroberer, nannte sich nach dem Tod ihres deutschen Gemahls Kaiser Heinrich V. fortan imperatrix und führte das Siegel einer Kaiserin. König Henry, der ohne männliche Erben war, hatte seine Barone verpflichtet, Prinzessin Maud als Thronerbin anzuerkennen. Also musste Talvas damit rechnen, einige Wochen in diesem verhassten Land zu verbringen. Er schwang die sehnigen Beine über die hohe Bootswand, kletterte die Strickleiter nach unten und sprang in den Kahn.
    Die Sonne begann die Dunstschwaden aufzusaugen, als der kleine Hafen erwachte. Einige Fischerboote, die kurz vor Morgengrauen ausgelaufen waren, kehrten bereits mit reichem Fang zurück. Die zuckenden Fischleiber in den Holzkisten glänzten silbrig. Die Fischer entluden ihren Fang weiter flussaufwärts direkt neben dem Markt von Barfleur, wo ihre Boote sich drängten und gegeneinander stießen, da jeder sich den besten Platz am Ufer sichern wollte.
    Emmeline wippte auf und ab, krümmte die Zehen, um ihre Füße zu wärmen, während sich hinter ihr der wuchtige Querbalken des einzigen Lastkrans von Barfleur langsam in Bewegung setzte und Weinfässer aus einem Kahn hievte, der am Steg festgemacht hatte. Von den bauchigen Fässern fanden nur drei Stück in einem Boot Platz. Die zwei Männer, die den Kran bedienten, ächzten vor Anstrengung, während sie an dem faustdicken Seil zogen, das am Ende des Querbalkens befestigt war, um die Last aus dem flachen Kahn zu heben. Sobald das Fass in dem verschnürten Netz über den Holzplanken schwebte, setzte das knirschende Geräusch ein, mit dem der senkrechte Pfosten in der Höhlung des Steins gedreht wurde, um das Fass zu dem am Ufer wartenden Ochsenkarren zu schwenken.
    Emmeline beobachtete, wie das Ruderboot, in dem ihr Schiffsführer stand, sich dem Ufer näherte. Sie kniff die Augen zusammen. Die grelle Spiegelung der tief stehenden Wintersonne auf den tanzenden Wellen blendete sie. Irgendwie erschien ihr Monsieur Lecherche größer und breiter als sonst. Vermutlich hatte auch er sich mit mehreren Schichten wollener Kleidung gegen die Kälte geschützt. Normalerweise blieb er an Bord, bis die Fracht vollständig entladen war, und wachte darüber, dass keiner der Seeleute sich heimlich etwas in die Tasche steckte. Da auf seine Besatzung absoluter Verlass war, fürchtete Emmeline, er sei vorzeitig von Bord gegangen, um ihr einen Schaden zu melden.
    Als das Boot mit beängstigender Geschwindigkeit über den Kies knirschte, blieb ihr der Mund offen stehen. Der Hüne, der über den Bootsrand ins seichte Wasser sprang, war nicht ihr Bootsführer! Es war aber kein anderes Segelschiff am Horizont zu sehen! Was in Gottes Namen hatte dieser Fremde auf ihrem Schiff zu suchen? Es war ihr strikter Grundsatz, keine Passagiere zu befördern. Das wusste Lecherche genau.
    Verdutzt sah sie, wie der Mann in langen Sätzen über die Mole direkt in ihre Richtung stürmte. Gleich bleibt er stehen, dachte Emmeline, ohne zurückzuweichen. Sie hatte einen flüchtigen Eindruck von ihm gewonnen, funkelnd blaue Augen unter buschig schwarzen Brauen und scharf geschnittene Gesichtszüge, bevor sein mächtiger Körper gegen sie prallte, sie nach hinten schleuderte und unter seinem schweren Gewicht begrub. Hinter ihnen krachte ein Weinfass mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Steg, ein Schwall gaskonischen Weins ergoss sich sprudelnd auf die Planken und sickerte

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