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Zwei Jahre Ferien

Zwei Jahre Ferien

Titel: Zwei Jahre Ferien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nicht mehr sah, so hörte man ihn doch immer.
    Briant und seine Kameraden hatten kaum fünfzig Schritte zurückgelegt, als sie den Hund vor einem Baume stehen sahen, an dessen Fuße eine menschliche Gestalt lag.
     

    Die Frau machte eine leichte Bewegung. (S. 322.)
     
    Unbeweglich wie eine Todte lag eine Frau da ausgestreckt, deren Kleidungsstücke – ein Rock aus dickem Stoffe, ein ähnliches Leibchen und ein braunwollenes, um die Taille gebundenes Tuch – noch in ganz gutem Zustande zu sein schienen. Ihr Gesicht ließ die Spuren entsetzlicher Leiden erkennen, obwohl sie von kräftiger Constitution und höchstens vierzig bis fünfundvierzig Jahre alt war. Erschöpft von Strapazen, vielleicht auch vom Hunger, hatte sie das Bewußtsein verloren, doch bewegten noch schwache Athemzüge ihre Lippen.
    Die Erregung der jungen Colonisten angesichts des ersten menschlichen Wesens, das sie seit ihrer Anwesenheit auf der Insel Chairman getroffen, wird man sich leicht vorstellen können.
    »Sie athmet!… Sie athmet noch! rief Gordon. Ohne Zweifel ist es nur der Hunger, der Durst«…
    Jacques flog bei diesen Worten schon nach French-den, von wo er etwas Schiffszwieback und eine Flasche mit Brandy herbeibrachte.
    Ueber die Frau niedergebeugt, öffnete Briant deren festgeschlossene Lippen, und es gelang ihm, ihr einige Tropfen des belebenden Getränkes einzuflößen.
    Die Frau machte eine leichte Bewegung und erhob dann die Augenlider. Ihr Blick wurde freier, als sie die im Umkreise versammelten Kinder sah… Dann führte sie das ihr von Jacques dargebotene Stück Zwieback begierig nach dem Munde.
    Man erkannte, daß die Unglückliche mehr aus Nahrungsmangel als aus Ermüdung dem Tode nahe gewesen war.
    Doch, wer war diese Frau? Würde es möglich sein, mit ihr einige Worte zu wechseln, sich mit ihr zu verständigen?
    Briant sollte sofort hierüber klar werden.
    Die Unbekannte hatte sich aufgerichtet und sprach eben in reinem Englisch die Worte aus:
    »Ich danke Euch… liebe Kinder… ich danke!«
    Eine halbe Stunde später hatten Briant und Baxter sie in der Halle niedergelegt, dort unterstützten Gordon und Doniphan sie noch, ihr alle Pflege, welche ihr trauriger Zustand erforderte, angedeihen zu lassen.
    Sobald sie sich etwas erholt, beeilte sie sich, ihre Geschichte zu erzählen.
    Wir lassen hier die Worte der Fremden folgen, aus denen zu ersehen ist, daß sie die jungen Colonisten lebhaft interessiren mußten.
    Sie war von amerikanischer Herkunft und hatte lange Zeit in den Gebieten des Far-West der Vereinigten Staaten gelebt. Sie nannte sich Katherine Ready oder einfach Kate. Seit zwanzig Jahren schon stand sie als Aufwärterin in Diensten der Familie William R. Penfield, die in Albany, der Hauptstadt des Staates New-York, wohnte.
    Vor nur einem Monate waren Mr. und Mrs. Penfield, um sich nach Chili zu begeben, wo deren Eltern wohnten, nach San Francisco, dem Haupthafen Californiens, gekommen, um auf dem Kauffahrteischiffe »Severn«, geführt vom Capitän John F. Turner, an Bord zu gehen. Dieses Schiff war nach Valparaiso bestimmt. Mr. und Mrs. Penfield nahmen auf demselben mit Kate, die sozusagen zur Familie gehörte, Ueberfahrt.
    Der »Severn« war ein tüchtiges Fahrzeug und hätte ohne Zweifel eine ganz glückliche Fahrt gemacht, wenn nicht die seine Besatzung bildenden, erst neuerdings angeworbenen acht Mann Schurken der schlimmsten Art gewesen wären. Neun Tage nach der Abfahrt erregte einer derselben, Walston, unterstützt von seinen Spießgesellen Brandt, Rock, Henley, Cork, Forbes, Cope und Pike, eine Meuterei, bei der der Capitän Turner nebst dem Obersteuermanne und gleichzeitig Herr und Frau Penfield getödtet wurden.
    Die Absicht der Meuterer war dahin gegangen, das Schiff, nachdem sie es in ihre Gewalt bekommen, zum Sclavenhandel zu verwenden, der damals noch in einigen Ländern Südamerikas in Blüthe stand.
    Nur zwei Personen an Bord waren verschont geblieben, Kate, zu deren Gunsten sich der Matrose Forbes – ein weniger grausamer Geselle als die Uebrigen – verwendet hatte, und noch ein Steuermann des »Severn«, ein Mann von dreißig Jahren, Namens Evans, den sie wegen der Führung des Schiffes nicht entbehren konnten.
    Jene schrecklichen Scenen hatten sich vom 7. zum 8. October abgespielt, als der »Severn« sich gegen zweihundert Meilen von der chilenischen Küste entfernt befand.
    Unter Androhung des Todes wurde Evans nun gezwungen, einen Curs zur Umschiffung des Cap Horn einzuhalten, von wo

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