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Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum

Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum

Titel: Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ein Schulkind mit schlechten Noten.
    »Ist hier jemand?«, fragte ich vorsichtig.
    Es jammerte wieder heiser — sehr leise und von irgendwo unter einem Möbel an der Wand.
    Das Geräusch kam mir vage bekannt vor.
    »Wo bist du? Komm, zeig dich!«, forderte ich mit leiser Stimme.
    Das Jammern wurde zu einem kläglichen Maunzen.
    Ich ging auf alle viere und schaute unter einen hässlich geblümten Sessel.
    Verschreckte Augen aus einem hellen Gesicht blickten mich an.
    »Wie bist du denn hier reingekommen? Bist du vorhin hinter mir hergeschlichen?«
    Das Tierchen zog sich weiter an die Wand zurück. Da konnte es nicht bleiben. Wenn es von draußen gekommen war, durfte ich es hier nicht einschließen. Also stand ich auf und wuchtete den Sessel beiseite. Ein zerzauster Flauschball drückte sich in die Ecke.
    Beherzt griff ich zu.
    »Maumaumau!«, klagte es leise, und eine Unzahl von Krallen klammerte sich in meinem Sweatshirt fest.
    »Ach, du liebes bisschen. Du bestehst ja nur noch aus Fell und Knochen. Und außerdem siehst du aus, als hätte man mit dir hier drinnen Staub gewischt.«
    Zitternd barg die kleine Katze ihr Gesicht an meiner Schulter.
    3. Elende Tage
     
    Er wusste nicht, wie viele Tage vergangen waren, seit die Männer seine Menschenfreundin auf einer Trage aus dem Haus gebracht hatten. Vor ihren polternden Schritten hatte er sich unten im Laden versteckt. Dann war die Tür zugefallen, das schreckliche blaue Blinklicht war verschwunden, und danach hatte die Einsamkeit begonnen.
    Erst in der zweiten Nacht hatte er sich hinter den Ordnernhervorgewagt. Der Hunger hatte ihn hinausgetrieben. Doch viel war es nicht, was sich da noch zu beißen fand. Die Schüssel mit dem Trockenfutter war bald leer, und die Mäuse hielten auch nur für wenige Tage vor. Zum Glück tropfte im Badezimmer ein Wasserhahn, so dass er wenigstens etwas Flüssigkeit zu sich nehmen konnte. Einige Stunden verbrachte er auf dem Beckenrand und leckte jedes bisschen Flüssigkeit auf, die aus der undichten Armatur quoll. Den Rest der Zeit verbrachte er damit zu dösen und zu schlafen. Und zu warten, dass seine Freundin wiederkam.
    Aber sie kam nicht.
    Auch die andere Frau kehrte nicht zurück, die sich seit dem Sommer um seine alte Dame gekümmert hatte, weil sie nicht mehr richtig laufen konnte. Darüber war er im Grunde ganz froh, denn diese Frau mochte er nicht. Sie hatte versucht, ihn zu treten und von dem Bett seiner Freundin fernzuhalten, aber vor allem fand er sie widerlich, weil sie nach Hund roch. Und vor Hunden fürchtete er sich noch mehr als vor hinterhältigen Tritten und polternden Stiefeln.
    Diese Angst stammte aus der Zeit, da er noch ein ganz kleiner Kater gewesen war, Mitglied einer angesehenen Familie, wie ihm seine Mutter versichert hatte. Die Menschen würden ihm zu Füßen liegen, ihn mit allerlei Leckerbissen verwöhnen, sein Körbchen mit samtenen Kissen auspolstern und ihm täglich mit sanften Bürstenstrichen das Fell pflegen. Niemand würde von ihm verlangen zumausen, nie würde er von Regen und kalten Schneeschauern durchnässt werden, nie verzweifelt an geschlossenen Türen kratzen müssen.
    Fast hätte es sich auch so ergeben. Ein Menschenpaar hatte ihn zu sich genommen und in ein wunderschönes Heim gebracht, das ganz nach seinen Wünschen ausgestattet war. Schon nach wenigen Tagen hatte er einen ausgesuchten Gefallen daran gefunden, sich dekorativ auf die Rückenlehne des dunkelblauen Sofas zu drapieren. Besonderen Beifall fand der elegante Schwung, mit dem er seinen Schwanz dabei einzusetzen wusste.
    Ja, gut, es war seine Schuld, er hätte an jenem schönen Spätsommerabend nicht hinter seinen Leuten hinaus in den Garten schlüpfen dürfen. Er hätte wachsamer sein müssen, misstrauischer.
    Der Hund des Nachbarn, ein großer, muskulöser Kerl ohne Rasse, aber mit ausgeprägter Mordlust und bedauerlich scharfen Zähnen, hatte ihn aufgescheucht. Eine wilde Verfolgungsjagd begann, vom Schreien und Kreischen seiner Menschen, dem Bellen des Köters und seines Herren untermalt. Völlig außer Atem hatte er sich auf einen niedrigen Ast retten können, glaubte sich in Sicherheit – und dann …
    Sie brachten ihn zum Tierarzt. Ein heftiger Piks, und gnädig verstummten die grellen Schmerzen.
    Als er wieder aus der Dunkelheit erwachte, war ihm sofort klar geworden, dass ihm etwas fehlte.
    Seine Leute sah er nie wieder. Die beiden Tierarzthelferinnen, junge, schwatzhafte Geschöpfe, mitleidig die eine, die andere

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