Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum
Katzen halten ihr Revier sehr sauber. Übrigens anders als Menschen. Die – vor allem männliche Exemplare dieser Gattung – pinkeln schon mal an Häuserecken. Wenn Sie also derartige Spuren hier im Hof finden, suchen Sie mal unter Ihresgleichen nach den Verursachern.«
»Mischen Sie sich hier nicht ein, Fräulein. Wer sind Sie überhaupt?«
»Anja Schöneberg, Tierschutz.«
»Was – auch noch so eine Kanaille?«
»Hoppla, jetzt vergreifen Sie sich aber mächtig im Ton, Herr Eckard.« Kris baute sich vor dem Mann auf und musterte ihn von seinen schütteren Haaren bis zu den ungeputzten Schuhen. »Frau Hummel wird weiterhin die Katzen füttern. Die Vorwürfe, die Ihr Anwalt so eloquent formuliert hat, sind haltlos. Es geht weder eine gesundheitliche Bedrohung noch eine Belästigung durch die Katzen aus.«
»Das können Sie gar nicht wissen. Mir sind Vorkommnisse gemeldet worden, zerkratzte Fahrzeuge, Scheißhaufen, nächtliches Gejaule – das ist doch hier kein Wildtierpark, sondern eine anständige Wohngegend. Ich erstatte Anzeige, Frau Hummel. Und ich werde jede Katze einzeln hier vertreiben. Wenn es sein muss, mit dem Luftgewehr.«
»Wenn Sie das tun, Herr Wichtigtuer, dann sind Sie derjenige, der die Anzeige an der Backe hat. Und zwar von mir und meiner Vereinigung«, fauchte Anja.
»Und von mir als Nachbar und Mitnutzer des Hofes«, fügte Kris hinzu. »Und sollte ich Sie dabei erwischen, dass Sie auch nur einer Katze zu nahetreten, werden wir beide mal eine Trainingsstunde in meinem Dojo abhalten!«
»Sie drohen mir?« Eckhards Stimme überschlug sich. Kris grinste. »Ja.«
»Und ich würde das verhältnismäßig ernst nehmen«, sagte auch Anja mit einem bösen Lächeln.
Der Hauverwalter machte einen Schritt zurück.
»Das war ja zu erwarten – von solchen Schlägertypen wie Ihnen. Ich werde Erkundigungen einziehen, Herr Grimal.Ich bin sicher, ich werde auf ein langes Vorstrafenregister stoßen. Und dann sind Sie dran.«
»Nur zu, Herr Eckard, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Aber in der Zwischenzeit möchte ich von keiner Belästigung Ihrerseits hören – weder was Katzen noch was Frauen anbelangt.«
Kris drehte dem erbost schnaubenden Mann den Rücken zu und bat Ina, ihm die Näpfe zu reichen. Auch Anja ignorierte den Hausverwalter, und nur Inas Hände zitterten ein wenig, als sie die gefüllten Schüsseln in die Hütte stellte.
»Gehen Sie nach oben, Ina, es ist kalt heute Abend. Sehen Sie, die ersten Schneeflocken fallen schon. Ich warte hier unten auf Ihre Gäste und achte darauf, dass ihnen nichts passiert«, sagte Kris.
»Ja, Ina. Kommen Sie, ich begleite Sie nach oben, und dann bieten Sie mir einen heißen Tee und eine Auswahl Ihrer Schoko-Nuss-Plätzchen an.«
»Wenn Sie meinen …«
»Meine ich. Wir brauchen Kris keine aufzuheben, der isst nichts Süßes.«
»Ach nein?«
»So ein harter Mann doch nicht. Der frisst Eisen. Oder rostige Nägel. Aber keine Weihnachtskekse«, meinte Anja spöttisch.
Kris hörte ihr Kichern noch, als die Tür hinter ihnen zugefallen war.
Anja machte sich gerne über ihn lustig, und irgendwie reizte es ihn, ihr bei Gelegenheit dazu weiteren Anlass zu geben.
Schon kamen die ersten Katzen auf leisen Pfoten herbei und holten sich ihr Abendessen – in der üblichen Reihenfolge, still und sauber. Kris verhielt sich vollkommen ruhig, zog sich in sich selbst zurück, um die Streunergruppe nicht zu stören, sie aber unbemerkt beobachten zu können. Er wurde mit einem kleinen Schauspiel belohnt.
Als die Gefleckte in den Hof trat, sah sie sich witternd um und duckte sich dann lauernd neben dem Häuschen. Gleich darauf erschien die Rote. Als sie sich ihrem Versteck näherte, ruckelte das Hinterteil der Gefleckten, und mit einem Satz sprang sie die andere Katze an. Die, überrascht, fiel um und strampelte mit den Beinen. Dann war sie auch schon wieder auf den Pfoten und hetzte hinter der Angreiferin her. Sie erwischte sie vor den Mülltonnen und patschte ihr auf den Schwanz. Daraufhin drehte die sich um und stellte sich auf die Hinterbeine. Die Rote tat es ihr gleich, und einen kurzen Moment sah es aus, als ob sie einen Tanz vollführten. Dann rasten sie beide, jetzt die Rote vorweg, wieder über den Hof. Die Gefleckte sprang über sie, beide blieben starr stehen und bewegten sich mit staksigen Schritten umeinander. Bisher war der Kampf völlig lautlos abgelaufen, doch als die Rote jetzt ihre Gegnerin ansprang und sie umwarf, hörte Kris ihr leises
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