Zwei Katzen unterm Weihnachtsbaum
sich höchst vorsichtig dem Behältnis, in dem sich offensichtlich ein Lebewesen verbarg.
Es stand auf dem Boden und war offen, was schon mal erfreulich war. Riechen tat der Beutel nicht eben köstlich, aber komischerweise auch nicht nach Tier. Das rhythmische Brummen schien aus der Tiefe zu kommen, und mit einer Pfote angelte Raufer nach unten. Ein Hemd blieb an seinen Krallen hängen. Er zerrte ein wenig daran, und das Brummen wurde lauter. Weiter grub er in den Kleidungsstücken und stieß auf ein Lederetui. Es vibrierte unter seinen Ballen. Sehr seltsam, sehr ungewöhnlich. Als er mit der Pfote danach tatzte, war es still. Raufer nahm seinen Mut zusammen und fischte das Ding mit den Krallen heraus, in der Hoffnung, das Tier – vielleicht eine verrückt gewordene Maus – aus seinem Behältnis zu befreien und dann jagen zu können.
Doch da war kein Tier in dem Täschchen, sondern so ein komisches Gerät, wie das, was Kris sich immer ans Ohr hielt und mit dem er sprach. Nimoue hatte ihn darüberaufgeklärt, dass Menschen eigentlich nicht mit dem Ding redeten, sondern mit einem anderen Menschen, der so ein Telefon ebenfalls an sein Ohr hielt. Es entsprach in etwa der kätzischen Form der Fernverständigung mittels Gedankenübertragung. Nur – so weit waren die primitiven Menschen noch nicht. Sie benötigten dafür Hilfsmittel.
Das hier war so eines, und wenn er es recht betrachtete, dann rief das Ding um Hilfe. Da Raufer sich aber außerstande fühlte, mit ihm zu kommunizieren, war sein nächster Schluss, es zu seinem Menschen zu bringen, damit er sich der Sorgen annehmen konnte. So packte er es mit den Zähnen an der Lasche und machte sich auf die Suche nach Kris.
Er stand nicht weit entfernt neben einem älteren Mann, der in gemächlichem Trab auf der Stelle lief und sich dabei mit ihm unterhielt. Als er ihn bemerkte, lachte der Mann und sagte: »Ihr Kater wünscht Sie zu sprechen, Kris. Haben Sie ihn zu Ihrem Sekretär ernannt, dass er Ihnen jetzt schon das Handy bringt?«
»Hoppla, Raufer. Was hast du denn da gefunden?«
Raufer legte ihm das Täschchen vor die Füße.
Kris hob es auf.
»Das ist nicht meins. Mann, Raufer, du darfst doch nicht die Taschen der Leute plündern.«
Der Kater machte einige vorsichtige Schritte rückwärts. Kris war ungehalten. Ja, verstand der denn nicht?
»Jetzt muss ich herausfinden, wem du das geklaut hast«, knurrte Kris ihn an – ziemlich ungehalten.
Dann aber begann das Ding wieder zu brummen. Kris holte es aus seinem Etui und schaute auf das Display.
»SMS. Ist nicht ganz in Ordnung, aber ich lese sie … Verdammt!«
Jetzt war er richtig sauer, stellte Raufer fest – allerdings nicht auf ihn. Er starrte das Gerät an und wippte auf den Füßen. Dann steckte er es zurück in das Täschchen und ging mit langen Schritten in den Umkleideraum.
Raufer beeilte sich, hinter ihm herzulaufen, denn Kris strahlte plötzlich eine solche Energie aus, dass er unbedingt wissen wollte, was er jetzt vorhatte. Das Handy warf er in den Beutel, aus dem er es gerade gefischt hatte, dann ging er in das Zimmerchen, in dem Vorräte aufbewahrt wurden – das Dosenfutter für die Menschen, Flaschen und Beutel. Nachdrücklich machte er die Tür hinter sich zu und zog sein eigens Handy hervor. Er tippte etwas ein, und dann, während er sprach, kraulte er Raufer zwischen den Ohren.
»Woher ich das weiß, Stefan? Dieser unbeschreibliche Kater hat ein Handy angeschleppt. Ich wollte nachschauen, wem es gehört, und bin auf die eingehende SMS gestoßen.«
Zufrieden rieb der Kater sich an seinem Bein. Offensichtlich hatte er es doch nicht so ganz falsch gemacht.
»Ja, dumm, dass ich nicht selbst schon Verdacht geschöpft habe. Zwei von Bobbys Kumpels sind noch immer Mitglieder im Studio, und wie es aussieht, haben sie mein Eingreifen vor einem Monat nicht vergessen. Bobby sinnt auf Rache, und er hat einen außerordentlich üblen Plan ausgeheckt.«
Nachdem Kris sich mit Stefan abgesprochen hatte, wandte er sich Raufer wieder zu.
»Nicht dass ich es gutheiße, wenn du die Taschen der Leute durchwühlst, Raufer, aber das hast du tatsächlich gut gemacht.«
»Mau?«
»Sehr gut gemacht. Man könnte sagen, so gut, dass es eine Scheibe Schinken wert ist.«
»Mirrr!«
17. Tumult auf dem Weihnachtsbasar
Am Sonntagvormittag half Kris Ina, einige Körbe voll mit ihren Weihnachtsgestecken nach unten zu tragen, und verstaute sie in seinem Wagen. Nimoue beobachtete das neugierig und bestand dann
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