Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan
zur Schule. Sie lernte gern und war die beste Schülerin in ihrer Klasse. Zumindest hatte sie das Gefühl. In der zweiten Klasse bekamen sie nämlich noch keine Noten, deswegen ließ sich das schlecht messen. Manchmal langweilte sie sich, aber dann erlaubten die Lehrer ihr, zu malen. Oder eine Extraaufgabe zu lösen. Frau Olsen war die beste Lehrerin, die Maibritt sich vorstellen konnte. Krachmacher wurden von ihr in den Gruppenraum geschickt, wenn sie nicht ruhig sein wollten. Und sie sah Maibritt immer so freundlich an und hatte so eine sanfte Stimme. Ein bisschen wie Maibritts Oma. Außerdem hatte Frau Olsen ein klein wenig Ähnlichkeit mit Anna, sie war nur nicht so hübsch. So hübsch wie Anna war keiner.
Wie gesagt, Maibritt ging gern zur Schule. Aber in der Schule zu sein war nicht immer schön. Die Pausen standen auf Maibritts Liste der Dinge, die sie am wenigsten mochte, ganz oben.
»Natürlich gehen wir auf den Flohmarkt«, sagte Märzbritt. »Flohmarkt ist das Beste überhaupt.«
»Das ist doch gar keine schlechte Idee«, sagte Papa zögernd. »Dann werden wir die lebensgefährliche Kletterausrüstung wenigstens so schnell wie möglich los.«
Die Vorstellung, an ihrem freien Tag in die Schule zu gehen, gefiel Maibritt immer weniger.
»Flohmarkt macht nur Spaß, wenn man was kaufen kann, selber verkaufen ist blöd«, sagte Maibritt.
»Das Verkaufen kann doch jemand anders für uns übernehmen«, schlug Mama vor. »Der Erlös des Flohmarkts heute ist sowieso für das Schulorchester, und vielleicht bringt die Kletterausrüstung ja ein ordentliches Sümmchen.«
Papa streckte den Rücken und ließ den schweren Sack auf den Boden fallen.
»Also abgemacht«, sagte er. »Wir gehen auf den Flohmarkt. Ich rufe Omi an, dass sie mit Juni dorthin kommt.«
Vielleicht war es ihre Heldentat, die Maibritt etwas mutiger machte. Aber vielleicht lag es auch daran, dass Märzbritt nach ihrer Hand griff, sobald sie auf die Straße kamen und ihre Nasenspitze Richtung Schule wandten.
»Wie weit ist es bis zur Schule?«, fragte Märzbritt. »Hätten wir vielleicht besser das Auto nehmen sollen?«
» 164 Meter«, sagte Papa. »Ziemlich genau. Mit anderen Worten, da lohnt es sich nicht, zu fahren.«
Als sie gleich darauf am oberen Ende des steil abfallenden Weges standen, der zur Schule führte, blieb Märzbritt stehen.
»Wow!«, sagte sie und ließ Maibritts Hand los. »Das ist also meine neue Schule. Nicht schlecht, Herr Specht!«
Maibritt hielt die Luft an. Darüber hatte sie ja noch gar nicht nachgedacht. Wenn Märzbritt jetzt nebenan wohnte, würden sie beide auf die gleiche Schule gehen! Das war zu schön, um wahr zu sein. Allein der Gedanke, dass Maibritt von nun an in der Schule eine beste Freundin haben würde, war so schwindelerregend, dass sie es nicht in Worte fassen konnte.
»Ja«, sagte sie stattdessen. »Das ist deine neue Schule.«
In der Maisonne strahlten die Gebäude besonders gelb. Im Herbst, bei Regenwetter oder Schnee wirkten sie eher trist und grau. Schmuddelig irgendwie. Aber jetzt, wo die Birken und das Gras wieder grün wurden und die Sonne vom knallblauen Himmel auf riesige Flächen mit kreideweißen Buschwindröschen schien, war die Schule plötzlich fröhlich bunt.
So schön war ihr die Schule noch nie vorgekommen, dachte Maibritt.
»Blöd, dass sie die Hindernisse auf dem Weg aufgestellt haben«, sagte Märzbritt. »Sonst wäre das im Winter eine tolle Rodelbahn. Wetten, dass ich es locker bis zur Straße schaffen würde!?«
»Genau aus dem Grund wurden die Hindernisse dort aufgestellt«, nuschelte Papa und beschattete seine Augen mit der Hand. »Da drüben ist Omi. Mit Juni.«
Omi und Juni waren im Schwimmbad gewesen. Juni hatte noch immer nasse Haare. Das ist aber nicht gut, mit nassen Haaren draußen rumzulaufen, dachte Maibritt. Denn trotz Sonnenschein war die Luft noch ziemlich kühl. Als sie bei Omi und Juni ankamen, zog sie deshalb eine Mütze aus ihrem Rucksack und setzte sie Juni auf den Kopf.
»Das ist doch nicht nötig«, sagte Mama.
»Hast du um diese Jahreszeit eine Mütze in deinem Rucksack?«, fragte Papa wie immer überflüssigerweise.
Maibritt hatte viele Dinge in ihrem Rucksack, von denen Papa nichts wusste. Pflaster, zum Beispiel. Einen Schraubenzieher. Eine Wasserflasche, weil man nie wissen konnte, wann man Durst bekam. Trockene Socken. Und eine saubere Unterhose, aber die hatte sie ganz unten versteckt. Oma sagte immer, dass es wichtig sei, für jede
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