Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan
begeistert. Märzbritt hat wirklich ein sonniges Gemüt, dachte Maibritt, als Mama im Fenster auftauchte und schnell ins Zimmer krabbelte.
Vor lauter Angst hatte Mama schier das Atmen vergessen. Erst als sie sicher auf Maibritts Bett saß, fing sie an zu lächeln und so glücklich auszusehen, wie Maibritt sie noch nie gesehen hatte.
»Mein Schatz«, sagte sie heiser und angestrengt. »Maibritt Solgård-Larsen, du bist eine Heldin!«
Mama breitete die Arme aus, und Maibritt wurde fast zerquetscht in ihrer festen Umarmung.
»Danke«, flüsterte Mama. »Tausend, tausend Dank, du tollstes aller klugen und herzallerliebsten Mädchen. Ich liebe dich ganz schrecklich, du hast mir das Leben gerettet!«
Draußen, durch die Jubelrufe der Nachbarn und Märzbritts Freudengeschrei, war Papa zu hören.
»Wo ist Gro?«, rief er besorgt und ließ die Leiter mit einem dumpfen Knall fallen.
»Und dir danke ich auch«, sagte Mama zu Anna. »Himmelsakrament, bin ich froh, dass das nicht Märzbritt passiert ist! Du musst wirklich denken, diese Familie ist völlig verrückt.«
Maibritt löste sich aus Mamas Umklammerung und sah Anna an. Annas Blick verriet, dass sie absolut davon überzeugt war, dass Familie Solgård-Larsen völlig verrückt war.
»Aber du magst uns trotzdem«, sagte Maibritt lächelnd.
Anna nickte. »Besonders dich«, sagte sie.
»Was ist passiert?«, rief Papa, der so schnell die Treppe hochrannte, dass er auf der letzten Stufe stolperte und fast ins Zimmer geflogen kam. »Geht es allen gut? Alles in Ordnung?«
»Das siehst du doch«, sagte Maibritt und lächelte noch mehr.
Molly sah etwas mitgenommen aus. Mama hatte sie so fest an sich gedrückt, dass ihre schönen Haare auf der einen Seite abgerissen waren. Darum musste Papa sich später kümmern, dachte Maibritt und presste Molly an sich.
Papas Haare standen wild vom Kopf ab. »Normalerweise bin ich …«
Er brach den Satz ab und schaute verzweifelt in die Runde. Dann holte er tief Luft und machte einen neuen Anlauf.
»Es ist nun wirklich nicht so, dass wir unsere Kinder immer und ständig allen möglichen Lebensgefahren aussetzen«, sagte er und starrte Anna an. »Im Gegenteil, würde ich sagen. Ich bin eigentlich …«
Dass Mama draußen im Garten an einer orangefarbenen Leine zum Trocknen gehangen hatte, hatte ihm die Sprache verschlagen und ihn ganz durcheinandergebracht.
Mama lachte und wedelte mit den Händen vor ihrem Gesicht herum. »Ich bin hier die Verrückte«, sagte sie und zwinkerte Märzbritt zu, die sich gerade zu ihnen gesellte. »Kent ist der Ruhige und Vernünftige. Er passt auf uns auf. Aber der Gedanke, dass seine schöne Kletterausrüstung mal wieder zum Einsatz kommt, hat ihn alle Vernunft vergessen lassen, glaube ich. Die ist seit mindestens acht Jahren nicht mehr benutzt worden. Und außerdem war ich es, die in Lebensgefahr schwebte, keins von den Kindern.«
»Ich habe Hunger«, verkündete Märzbritt. »Gibt es in diesem Haus auch was Vernünftiges zu essen? Etwas anderes als rohen Fisch und Gemüse?«
Bevor jemand antworten konnte, ging Märzbritt zu Maibritt. »Du bist nicht nur die beste beste Freundin auf der Welt«, sagte sie ernst, »du bist auch ganz schön geistesgegenwärtig, so wahr ich Märzbritt heiße.«
Maibritt wusste nicht genau, was mit geistesgegenwärtig gemeint war, aber es hörte sich gut an. Sie bekam einen röteren Kopf als jemals in ihrem Leben zuvor. Aber dieses Mal machte das überhaupt rein gar nichts.
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Elftes Kapitel,
in dem Papa einen wichtigen und richtigen Entschluss fasst und Märzbritt ihre neue Schule kennenlernt, in dem Juni verschwindet und Maibritt ungerechterweise die Schuld dafür bekommt und zum zweiten Mal an diesem seltsamen Tag ausrastet.
Es war drei Uhr nachmittags geworden. Sie hatten ganz gewöhnliche Käsebrote gegessen, ohne Tabasco oder Vanillesoße, und Märzbritt hatte einen ganzen Liter Milch getrunken. Anna war irgendwann aufgebrochen, um mit Rambo Gassi zu gehen, und Papa hatte die Kletterausrüstung in einem großen Beutel verpackt.
»So«, sagte er energisch und schnürte den Beutel zu. »Das kommt zum Flohmarkt. Zeit, sich von seiner Jugend und Schönheit zu verabschieden.«
»Flohmarkt?«, rief Märzbritt begeistert. »Gibt es hier einen Flohmarkt heute?«
»Ja«, sagte Maibritt, »in meiner Schule. Aber da gehen wir nicht hin.«
Das war das Letzte, worauf Maibritt an einem freien Tag Lust hatte: in die Schule zu gehen.
Maibritt ging sonst gern
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