Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Privatführung steht er selbstredend höchstpersönlich zur Verfügung.
Wir packen also langsam unsere Sachen zusammen und bevor es losgeht, möchte Conny noch ein Foto von mir und dem Bonbonmann machen. Sie hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, während unserer Reise alle Menschen zu knipsen, die uns in irgendeiner Hinsicht etwas Gutes tun. Ich stehe also neben dem netten Onkel und lege mein bestes Fotolächeln auf. Der alte Herr hakt sich bei mir ein und brummelt irgendetwas von: „Jetzt sind wir wie Ehemann und Ehefrau.“ und Conny drückt ab. Bevor wir dann endlich loslaufen, bemerken wir drei Damen, die ein Stückchen entfernt von uns rasten. Spontan fragen wir sie, ob sie Interesse an der geplanten Kirchenbesichtigung haben. Die drei pensionierten Kanadierinnen willigen fröhlich ein und schlendern mit uns ins Dorfinnere.
In der Kirche bekommen wir alles zu sehen. Der freundliche Rentner schließt uns sämtliche Türen auf und erklärt mir im schnellen Spanisch komplexe historische Zusammenhänge. Ich nicke stets freundlich, während Conny und die drei Ladies — so haben wir sie spontan getauft — mit ihren Kameras durch die Gegend huschen. Im Anschluss an unseren Besichtigungsmarathon lädt uns der Bonbononkel nochmalig auf seinen eigens kreierten Wein in sein Kellergewölbe ein. Weil Conny und ich nicht unbedingt schon mittags beduselt sein wollen, frage ich die Kanadierinnen, ob sie mit uns gemeinsam aufbrechen würden; damit ich dem Herrn glaubend machen kann, dass wir nun alle zusammen gehören und allmählich weiter müssen und uns aber dennoch sehr über seine Hilfsbereitschaft freuen. Sie willigen ein und die kleine Notlüge erfüllt ihre Funktion, ohne den Mann zu kränken. Freundlich verabschieden wir uns voneinander und ziehen mit den drei Damen los. Lange bleiben wir allerdings nicht zusammen. Wir treffen uns erst nachmittags in einer kleinen Bar zufällig wieder. Dort setzen wir uns zu ihnen, woraufhin sie uns gleich freudestrahlend fotografieren und einen Pin, in Form ihrer Nationalflagge, schenken.
Conny und ich gönnen uns heute mal eine warme Mahlzeit und es gibt für läppische vier Euro eine große Ladung Spaghetti in Öl mit Reibekäse. Damit das Wetter so schön bleibt, essen wir natürlich brav auf und begeben uns nach dem Mahl gleich wieder auf den Weg. Lange wandern wir jedoch nicht, denn das Öl bleibt nicht ohne Nebenwirkung. Himmel Herrgott! Was für Bratfett nehmen die denn hier? Ich bekomme fürchterliche Magenkrämpfe und sehe mich panisch suchend um. Die Verzweiflung steht mir mittlerweile ins Gesicht geschrieben und weit und breit gibt es einzig und allein EINEN Laubbaum und sonst nur endlose, flache Felder. Egal! Was sein muss, muss sein! Wir setzen die Rucksäcke ab, Conny lümmelt sich bequem auf den Weg und ich verschwinde für eine lange Zeit im Straßengraben, kehre ab und zu mal zurück, lehne mich gequält und von Schmerzen geplagt an meinen Rucksack und verschwinde wieder in meinem Graben. Während ich so vor mich hinsterbe, hält Cornelia einen erholsamen Mittagsschlaf. Als sie aus diesem erwacht, bekommt auch sie starke Magenkrämpfe.
Irgendwann hocken wir also zu zweit in der Landschaft. Ob solche Erlebnisse besonders zusammenschweißen? Nach ungefähr eineinhalb Stunden — ich habe zwischenzeitlich schon gestreikt und wollte das Zelt direkt am Tatort aufschlagen — ist der Spuk vorbei und wir laufen endlich weiter.
In Carrión de los Condes schlagen wir unser Nachtlager auf und schlürfen eine Cola. Mehr brauchen wir heute nicht. Die Nacht wird sehr kalt. Ich weiß nicht, ob ich nach meinem Grabenerlebnis so sehr abgemagert bin, dass ich deswegen friere oder ob sich der spanische Sommer seinem Ende neigt. Jedenfalls träume ich sogar schon vom Kauf eines zweiten Schlafsacks in León, der nächst größeren Stadt, die wir erreichen werden.
12. Pilgertag
ETAPPENZIEL: LEDIGOS
Bis 9:00 Uhr halten wir durch und dann geht es los zum heutigen Etappenziel. Es sind 23 Kilometer bis Ledigos. In unserem Reiseführer lesen wir, dass der erste Streckenabschnitt 16 km nur geradeaus führt. Keine Dörfer. Keine Bars. Keine Herbergen. Keine Kaffeeautomaten. Nichts. Das ist ausgerechnet heute besonders hart, denn bei unserer Frühstückspause, am Rande einer Kuhwiese, bemerken wir unsere überaus dürftige Proviantsituation. Ein Sonntagsfrühstück ist etwas Anderes; denn heute Morgen gibt es für jede von uns zwei Scheiben zerknautschten Toast mit insgesamt
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