Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
kuschelig warm ist. Für Cornelia wird es mit dem Erwerb eines Schnäppchen-Pullis mit dem aussagekräftigen Aufdruck „POWER“ eine preiswertere Anti-Frost-Maßnahme. Was uns heute morgen schnell auffällt: Die Einwohner hier betrachten uns irgendwie sehr herablassend und gucken sämtliche Pilger schräg an. Zu Beginn des Weges haben wir uns teilweise wie zwei Heilige gefühlt und hier sind Müffelschuhe und Sportdress scheinbar total verpönt. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass die Leóner Bevölkerung prinzipiell nicht gut auf Pilgernde zu sprechen ist.
In der Kathedrale revidieren wir diesen Eindruck, da wir gleich drei Mal Anerkennung für die Pilgerschaft ernten. Noch größer wird unsere Freude, als uns Rita, Rochelle und Isabel begegnen und uns — wie immer, wenn sie uns treffen — fotografieren. Es blitzt also fröhlich umher und das historische Bauwerk wird zur Nebensache. Irgendwann greife auch ich zur Kamera und knipse meine vier Gesprächspartnerinnen. Das Bild ist gerade im Kasten, als ich auch schon darauf hingewiesen werde, dass das Fotografieren innerhalb des Gebäudes untersagt ist. Auch wenn es mal wieder mich erwischt hat, freue ich mich über das gerade noch gelungene Bild.
Die Ladies eröffnen uns, dass sie beim nächsten Treffen ein Abendessen für uns ausgeben wollen. Weil wir in den vergangenen zwei Wochen nur sehr wenige warme Mahlzeiten hatten, bedanken wir uns freudig und nehmen die Einladung an. Wir wissen ja, dass wir die Drei auf jeden Fall wieder treffen werden. Wen man auf dem Camino sehen möchte, sieht man auch! Verabredungen und Pläne sind dabei überflüssig. Die Dinge fügen sich von ganz allein.
Ab 17:00 Uhr versuchen wir León zu verlassen. Das ist gar nicht so leicht, weil die Markierungen sehr, sehr rar sind. Hinzu kommt, dass uns Einheimische in verschiedene Richtungen schicken. Der ausgekundschaftete Weg zieht sich dann elendig und führt durch hässliche Industrielandschaften. An Camping ist sehr lange nicht zu denken. Wir laufen noch einige Kilometer weiter als geplant, bis es etwas grüner wird. Auf einer Grasfläche mit Bäumen glauben wir fündig geworden zu sein. Wir müssen nur noch über einen kleinen, baufälligen Zaun klettern und befinden uns auf einem super Zeltareal. In dieser Sicherheit wiegen wir uns jedoch nur solange bis Cornelia riesige Kothaufen entdeckt. Der Mist stammt definitiv von einem Tier. Wir haben nur keine Ahnung von welchem Lebewesen. Weil wir hier ja in Spanien sind, liegt es nahe, sofort auf einen wilden Stier zu tippen. Ich mit meinem knallroten T-Shirt muss an mich halten, nicht in Panik zu verfallen. Unsere Vernunftentscheidung lautet sogleich: „Hier campen wir besser nicht!“. Wir werfen die Rucksäcke zurück über den Zaun und ich klettere zügig hinterher. Cornelia besitzt die Gelassenheit noch einmal in den Büschen der vermeintlichen Stierwiese zu verschwinden. Ich bin erleichtert, als ich meine Freundin unbeschadet wieder habe und wir die Zeltsuche fortsetzen können. Bald werden wir auf einer verwucherten Grasfläche in der Nähe einer Schnellstraße fündig und können endlich unser Zelt aufschlagen. Hoffentlich gewittert es heute nicht! Der Himmel sieht nach Sturm aus. Wir wenden den ultimativen Friedrun-Trick an, schließen die Augen und schlafen zu Autobahngeräuschen ein.
Pilgertag 15.
ETAPPENZIEL: VILLAR DE MAZARIFE
Am nächsten Morgen begrüßt mich Conny mit den Worten: „Wenn du so am Strand liegen würdest, würden sie dich erschießen!“ Ach ja! Sie spielt auf mein üppiges Erscheinungsbild in meinen zwei Schlafsäcken an! Wir lachen herzhaft und ich bin froh, dass ich es in der vergangenen Nacht so schön warm hatte. Ich verstaue mein Walrosskostüm selbstbewusst und wir brechen in das Nest Villar de Mazarife auf. Dort holen wir uns in einer der drei Herbergen unseren Stempel und werden prompt vom Herbergsleiter gefragt, ob es sich bei uns um die zwei campenden Mädels handele. Wir bejahen verdutzt und erfahren, dass er diese Info von unseren drei Kanadierinnen erhielt. Die Ladies nächtigen heute mal nicht im Hotel sondern in dieser gepflegten Herberge. Hotels und Pensionen hat dieser Ort gar nicht zu bieten. Wir freuen uns zu erfahren, dass die drei Frauen hier sind und hoffen auf ein baldiges Treffen. Wir schlendern ins Dorfzentrum und trinken Kaffee. Die Ladies laufen uns garantiert über den Weg. In der Riesenstadt León hat es ja auch funktioniert. Wir kommen mit zwei Deutschen ins Gespräch
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